Tales of Ærwetea
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El Topé

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Cassidy
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Di Jan 30, 2018 8:58 pm
Nach bevor die Sonne sich über den Horizont erhob, herrschte ein reges Treiben in El Topé, der Hauptstadt von Ærwetea. Händler bauten ihre Stände wieder auf und es waren so viele, dass es auf dem Marktplatz schon ohne Kunden sehr eng wurde und sie sich auch noch über die breiteren Straßen hinweg erstreckten. Es wurden kurze Kommandos hin und her gerufen, voller Routine, die in den vorherigen Tagen des Festivals noch gefehlt hatte. Das Fest des Lichts fand alle fünf Jahre statt und es gab kaum eine zuverlässigere Einnahmequelle als die vielen Besucher, die zu dieser Zeit in die Hauptstadt pilgerten, sich erfreuten und ein wenig sorgloser mit ihren Schmachten umgingen.
Weiter entfernt von den großen Straßen war es noch sehr ruhig. Es war die Wärmste Zeit des Jahres und dementsprechend war es tatsächlich noch außerordentlich früh bevor die Sonne aufging. Ein leichter, erfrischender Regen kühlte die Luft etwas ab, die sauberer war als sonst, da die wenigen Fabriken der Stadt für die Feierlichkeiten geschlossen waren.
König Ambert Lucien den III. von Ærwe hatte man zu seiner Unzufriedenheit bereits geweckt, um ihm das genauere Vorgehen erneut zu schildern. Natürlich war der König bereits exzellent vorbereitet. Es war nicht das erste Mal, dass seine Rede den traditionellen Höhepunkt des Festes darstellte, doch seine Berater erzählten ihm jedes Mal davon als ob er es noch nie erlebt hätte. Er hatte ein Königreich zu regieren und obwohl ihm bewusst war, wie wichtig seine Rede war und sich auch ein wenig darauf freute mit seinem gesamten Volk in Kontakt treten zu können, wurde er der ständigen Wiederholung überdrüssig. Darauf bedacht, die einflussreichen Männer vor ihm nicht zu verärgert, bemühte er sich um eine neutrale Miene. Natürlich war in diesem Königreich niemand einflussreicher als er, aber ihm war bewusst, dass er durch gute Beziehungen einige Konflikte vermeiden konnte.
Er nahm einen Schluck von seinem Tee und eine gewisse Vorfreude auf den Rest des Tages machte sich in ihm breit. Der letzte Tag des Fest des Lichts war zwar eine Menge Arbeit, aber er war überzeugt, dass seine Bürger am Ende des Tages glücklicher sein würden.
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Arista
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Fr Feb 09, 2018 12:00 am
Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebendsende...

Zumindest war das die Version, die das Volk und der Adel glauben sollten. Arista jedoch war anderer Meinung, wenn sie früh morgens von ihren 2 Kammerzofen geweckt wurde.
Sie hatte nur wenig Schlaf, da sie in der Nacht noch in den anliegenden Gemächern des Königs ihren ehelichen Pflichten nachgekommen war. Somit also erst spät in ihre eigenen Gemächer zurückkehren konnte.
Der König hatte auch nach endlosen Versuchen die Hoffnung auf das prophezeite Kind nicht aufgegeben. Eine überflüssige Hoffnung, da sie bereits bei ihrer Ankunft in Ærwetea wusste, wie eine Empfängnis mit Wassermagie abzuwenden war.

Noch war der Raum mit Kerzen beleuchtet, auch wenn er in Kürze von Sonnenlicht durchstrahlt werden würde. Während die Zofen sie entkleideten und ihr Bad einließen, stürmte jedoch ein aufgeweckter schwarzer Hund in den Raum, dicht gefolgt von einer Wache in blau weißer Uniform mit dem Emblem der königlichen Leibgarde auf der Brust.
„James sofort raus“, ertönte die genervte Stimme von Arista.
James war an ihrem 18. Geburtstag als ihre Leibwache zugeteilt worden und somit, auch wenn ungewollt, eine der wenigen Dinge, die sie aus ihrem alten Leben mitgebracht hatte. Wie sehr sie ihn doch hasste…

Auch die Zofen machten Bemühungen um James aus den Gemächern zu weisen, dieser versuchte jedoch ungerührt weiterhin, den Hund aus dem Raum zu entfernen. Erfolglos. Nichts desto trotz erntete er lautes Geknurre.
„Nichts, was ich noch nicht gesehen habe“, berichtete James und betonte mit verschmitztem Grinsen „Auch wenn es immer wieder schön anzusehen ist“.
Die Hündin sprang freudig an Aristas Bein hoch. Es handelte sich bei ihr um eine große, schwarze Retriever-Art, namens Erus.
„Wenn deine Manieren es dir erlauben würden zu klopfen, wie es das Hofprotokoll vorsieht, würdest du nicht zu diesem Vergnügen kommen“, erinnert Arista James ironisch höflich.
„Falls es eurer Majestät auch nach all den Jahren immer noch unangenehm ist, wenn ich euch unbekleidet sehe, werde ich natürlich in Zukunft klopfen“, erwiderte er und verließ mit dem Hund in den Armen den Raum.

Anschließend schreitet sie in das anliegende Bad in dem ihre Zofen ihr bereit das Bad eingelassen haben und sie allein zurückliesen. Doch bevor sie sich überhaupt entspannen konnte, spürte sie etwas Spitzes an ihrem Rücken.
„Wie seid ihr an den Wachen vorbeigekommen?“ fragte sie mit betont ruhiger Stimme.
„In all dem Trubel rund um das Fest und den zusätzlichen Bediensteten, fällt ein Dienstmädchen mehr oder weniger nicht auf“, erwiderte die junge Frau, „und die Wache vor der Tür hat mehr Interesse daran mit Zofen zu flirten“. Ein Teil von Arista freute sich über diese Aussage, bedeutete es doch, dass James seine zweite Verwarnung bekommen würde, der Andere konzentrierte sich darauf die Situation zu entschärfen: „Hast du Familie? Einen Mann? Eine Frau? Kinder?“. Ein kaltes „Nein“ war die einzige Antwort, die sie erhielt.
„Sehr gut, dann wird dich ja niemand vermissen“, und mit diesen Worten sendete sie eine Welle von Wasser über die Frau, und eine Schicht von Eis über ihrem Körper lies sie in ihrer Position verharren.
Im selben Moment kam James hineingestürmt, der vermutlich endlich bemerkt hatte, das etwas vorgefallen ist.
„Perfektes Timing James“, verkündete Arista freudig, „wenn du die junge Frau bitte ins Verließ geleiten würdest. Sie hat versucht meine Juwelen zu stellen und wird morgen in die Besserungsanstalt im Norden reisen“.
James erwiderte sichtlich irritiert: „Das nennt ihr Diebstahl? Die Frau wollte euch offensichtlich“
„Umbringen? Aber wieso sollte sie? Das Volk liebt mich und wir sollten es grade an so einem festlichen Tag nicht mit dieser Nachricht beunruhigen“, unterbrach ihn Arista.
Die Frau, immer noch gefesselt, aber inzwischen in Handschellen schrie, „Aber wenn ihr mich in die Besserungsanstalt schickt ist das genauso gut, wie ein Todesurteil“.
„Aber nein kein Todesurteil. Ich würde es viel eher als einen Auftrag sehen, du sollst für mich eine Nachricht überbringen“, worauf sie ihr eine Botschaft ins Ohr flüsterte,“ Und keine Sorge, du wirst schon merken für wen die Botschaft ist“. Daraufhin wandte sich Arista von der Frau ab, während James sie aus dem Raum entfernte.
Kurz bevor James mit der Frau den Raum verließ, drehte Arista sich jedoch noch einmal um, und sagte schon zu fröhlich: „Das hätte ich fast vergessen. Ans Ende einer Botschaft gehört natürlich noch ein Gruß. Sag: In Liebe, deine Königin“. Dann fiel die Tür ins Schloss.

Endlich allein und Zeit zum Nachdenken. Zeit um ein bisschen mit ihrer Magie und dem Wasser des Bads rumzuspielen. Vor Arista lag ein vollgepackter Tag mit Terminen rund um das Festival, insbesondere der Inspektion des Feuerwerks. Nach der Rede ihres Ehemanns würde sie vermutlich auch noch ein paar Worte an das Volk richten, bevor das Fest mit dem großen Feuerwerk enden würde. Aber zuerst das obligatorische Frühstück mit Prinz und König. Der König war eine Sache, eben ein älterer Mann stets mit einem Lächeln und netten Worten, aber der Prinz war einfach nur ein arroganter, verwöhnter Bengel. Vollkommen in Gedanken gleitet das Wasser in Tropfen durch den Raum.
Als ein Klopfen an der Tür zu hören war, vergas Arista den Gedanken und das Wasser fiel zu Boden. An der Tür waren die Hofdamen, die sie in ihr erstes Gewand für den Tag stecken würden, ein blaues fliesendes Morgenkleid für das Frühstück mit König und Prinz. Anschließend ein direkter Wechsel in ihre Reitkleidung zu Inspektion der königlichen Garde, zumindest in bequemen Hosen.
Das Letzte was sie sah bevor sie den Raum verließ und zum Frühstück ging, war der Sonnenaufgang am Horizont.

Die Morgenröte.


Zuletzt von Arista am Mi Feb 28, 2018 7:55 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Cassidy
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Fr Feb 09, 2018 12:07 am
"Kyle. Aufstehen", forderte ich meinen kleinen Bruder auf. Ich saß auf meinem Bett und flocht mir meine Haare, während ich die Luft zwischen seinen Haaren bewegte um ihm ohne Hände liebevoll durch die braunen Haare wuscheln zu können. Seine Haare waren kurz und sehr leicht, sodass ich die Anstrengung meine Magie dafür zu verwenden, kaum bemerkte. Unser Vater hatte ihm den Vormittag freigegeben, um sich mit unserer kleinen Schwester Leena ein wenig umsehen zu können, denn bei dem letzten Fest des Lichts waren die beiden noch viel jünger und würden es nun anders wahr nehmen.
Es war ungewöhnlich still im Haus, ohne die stetigen Geräusche vom Treffen von Metall auf Metall, denn unser Vater war auf dem Marktplatz, in der Hoffnung einen Händler für seine Waren zu finden.
Ich beobachtete die aufgehende Sonne und spielte noch etwas mit Kyles Haar bis er schließlich langsam aufwachte und müde, unverständliche Laute von sich gab. Ich nahm das als Zeichen aufzustehen. Mein Blick fiel auf meinen mintgrünen Schal, doch wenn gestern irgendein Indikator für die Temperatur war, wäre es wohl viel zu warm und die regnerische Luft wehte klar und frisch zum Fenster herein. Widerwillig, aber wohlwissend, dass es die sinnvollere Entscheidung sei, ließ ich die die leuchtende Farbe zurück. Aus der Küche duftete frisches Brot und ich folgte der Geruchsspur eifrig.
Meine Schwester Leena war unglaublich. Ich war noch ein wenig träge vom Schlafen, doch sie warf mir nur ein strahlendes Lächeln zu als ich den Raum betrat während sie eifrig weiter an dem hantierte, was sie tat. Ich war mir nicht sicher wie genau ich die Bewegungen zuordnen sollte, denn mit ihrem Körper war sie von mir abgewandt und ich hatte ehrlich zu wenig Interesse an ihren üblichen Aktivitäten, dem Putzen, dem Kochen, dem Stricken oder was auch immer ihr aktuelles neues Hobby war. Ich bewunderte sie dafür, sehr sogar, wie viel Freunde sie an alltäglichen und nützlichen Dingen fand, die mich nur unzählige Nerven kosteten. Heute wusste ich jedoch auch, dass ihre gute Laune auch dem Fest galt. Ich konnte es an ihrem Gesicht ablesen und hatte diese Information genaustens im Hinterkopf, dennoch fragte ich noch einmal nach.
„Du gehst heute mit Riko zum Fest, hm?“ Ich grinste sie an und als das Thema aufkam, drehte sie sich vollständig zu mir um, voller Elan und Freude. Ich beneidete sie für ihre spontane Anmut und Lebensfreude. Ich sah nun auch, dass sie ein buntes Stück Stoff in der Hand hatte. Der Farbe zufolge teuren Stoff und ich widerstand dem Verlangen, die Stirn zu runzeln. Konnten wir uns das wirklich leisten?
„Ja“, strahlte sie nur mit einem verträumten Lächeln und machte eine kurze Pause. Ich unterbrach sie nicht in ihren Gedanken, denn ich kaute an dem Stück Brot, das ich mir genommen hatte. Es war noch warm, also musste Leena es erst vor kurzem gekauft haben, und es duftete köstlich herzhaft. Wenn sie beim Bäcker gewesen war, würde das tatsächlich ihre übermäßig gute Laune erklären. Ich machte eine beiläufige Handbewegung um sie zum Weiterreden zu bringen und sie blinzelte kurz als es ihr auffiel.
„Aber später erst. Nach der Rede, wenn die Musik gespielt wird. Ich hoffe er fragt mich ob ich mit ihm tanze. Er ist bestimmt ein wundervoller Tänzer. Das wäre so romantisch! Und dann gehen wir noch etwas in der Stadt spazieren. Er ist so gut darin zu erkennen, welche Leute gar nicht wirklich von hier sind, das glaubst du gar nicht, Cass!“ Es gelang mir weder die Augen zu rollen noch eine Augenbraue zu haben. Das war nun wirklich nicht schwer. Ich könnte mit ihr wetten, dass ich mehr Leute erkennen würde, und erst recht mehr Namen zu ordnen könnte, aber ich ließ es. Ich konnte nie verstehen, was meine Schwester an diesem Jungen so toll machte, auch wenn ich mich natürlich freute, dass er sie so glücklich machte. Stattdessen verlagerte ich mein Gewicht wieder auf meinen eigenen zwei Füße, weg von dem Tisch, an den ich mich angelehnt hatte. Meine Laune war deutlich getrübt.
„Das klingt toll, Leena. Aber ich muss jetzt wirklich los. Vater hat mir Arbeit hinterlassen“, ich wies auf die Waffen und Werkzeuge, die in ihrer gewohnten Ecke feinsäuberlich angeordnet waren, während ich mir mit der anderen Hand den letzten Fetzen des Stücks Brot, das ich mir genommen hatte, in den Mund stopfte, um eine Fortsetzung des Themas zu entgehen. Ich befestigte die Ware flink, aber mit Vorsicht, an meinem dafür vorgesehenen diagonalen Tragegurt und hüpfte in meine grauen Stiefel, ohne die ich das Haus nie verließ.
Ich drehte mich noch einmal um, um mich von meiner Schwester zu verabschieden, doch ihr Gesichtsausdruck war plötzlich ernst und konzentriert, als wäre ihr plötzlich etwas Wichtiges eingefallen. Ich blickte sie fragend an und es dauerte einen Augenblick bis sie darauf aufmerksam wurde.
„Pass auf dich auf“, murmelte sie besorgt und sie erinnerte mich für einen Moment schmerzlich an unsere Mutter, ohne ihr wirklich ähnlich zu sehen. Ihre wunderschönen hellbraunen Locken und die Form ihres Gesichts bildeten einen fast erstaunlichen Unterschied zu denen, die ich mit unserer verstorbenen Mutter teilte.
„Ich habe einfach ein schlechtes Gefühl, was den heutigen Tag angeht.“ Dieses Mal runzelte ich wirklich die Stirn, ohne meine Verwunderung zurück zu halten. Sie hatte doch gerade noch so glücklich von ihren Plänen für heute erzählt. Das passte nicht zusammen.
„Was meinst du damit?“, bohrte ich nach und hörte die Verwunderung aus meiner eigenen Stimmer heraus.
„Nur ein Bauchgefühl“, beschwichtigte sie mich, „fühlt sich an, als würde etwas Großes passieren, aber ich weiß auch nicht wieso. Es fühlt sich einfach so an. Sei einfach vorsichtig.“ Ich nickte und nahm zur Kenntnis, dass ihre Sorge sich eher auf mich zu beziehen schien. Die Kleine war aufmerksam und merkte immer, wenn ich mich in meiner Rücksichtlosigkeit verletzte. Sie war es, die dann immer darauf bestand, mich wieder zusammen zu flicken. Sie erstaunte mich immer wieder und ich musste mich daran erinnern, wie schnell sie groß wurde und Verantwortung übernehmen wollte. Ich schenkte ihr ein selbstbewusstes Grinsen, das meine Verwunderung gekonnt überdeckte.
„Keine Sorge. Ich komme schon klar. Das einzige, worum du dir heute Gedanken machen musst, ist dein Treffen mit Riko.“ Ich wusste, dass der letzte Satz sie wieder auf andere, schönere Gedanken bringen würde. Mit einem zuversichtlichen Winken verabschiedete ich mich von ihr und trat vor die Türe.

Meine Beine machten sich fast schon automatisch auf den Weg zum nächstgelegenen Kunden. Die große Zange für Gerald Stunk, einen Handwerker, der kaum zwei Straßen weiter wohnte, war schwer und ich wollte sie zuerst loswerden. Ich schlenderte durch die Straße, die noch relativ leer, aber längst nicht so ausgestorben wie sonst zu dieser Zeit, war. Der Regen lief mein Gesicht herab und ich zog mir eilig die Kapuze meines staubig-braunen Capes über, in der Hoffnung, dass der Regen den Dreck abwaschen und von mir fernbleiben würde. So sehr ich die Regenluft auch genoss, wenn das Wasser meine restliche Kleidung vollsog, merkte ich sein Gewicht immer deutlich und fühlte mich träge und langsam. Ein grässliches Gefühl. Auch wenn ich den Menschen denen ich begegnete freundlich zulächelte, fing ich keine Gespräche an. Ich versuchte immer noch Leenas vage Warnung in meine Informationen einzuordnen. Könnte sie…? Nein, davon könnte sie auch nicht nur leiseste Ahnung haben. Die kleineren Aufstände der Obdachlosen? Die betrafen uns nicht und hatte sie noch nie sehr interessiert. Oder vielleicht? Nein, unmöglich. Nichts von dem, was mir einfiel, betraf sie auf irgendeine Art und Weise, dafür sorgte ich normalerweise sowieso. Etwas das jeden beträfe vielleicht? Nein, dieses Ereignis stand noch länger nicht an. Andererseits hatte sie sich ja auch spezifisch um mich gesorgt. Aber auch für mich stand nichts Gefährliches an. Es sei denn...? Nein, auch das war komplett durchgeplant. Es war alles genaustens durchgeplant, da konnte nichts schiefgehen.
Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. Es war nur ein Bauchgefühl, ich sollte mir keine Sorgen machen. Auch wenn sie mit Sicherheit nichts Schlechtes gegessen hatte, denn dann würde ich das auch spüren, konnte das auch andere Gründe haben.
Ich konzentrierte mich wieder auf die Umgebung, betrachtete wie Mirielle sich um ihre Blumen kümmerte und drei ältere Männer auf einer Bank saßen und tuschelten. Sobald ich die Beine der jungen Mirielle als Gesprächsthema identifizieren konnte, wandte ich mich jedoch mit einem Seufzen wieder ab. Glücklicherweise erreichte ich bald das Haus der Stunks, an das ich entschlossen und kräftig klopfte und mein höflichstes Lächeln aufsetzte.
Einer der vielen Söhne der Stunks öffnete mir Türe, ein jeder nerviger als der andere. Torron war groß und, wie auch jeder seiner drei Brüder, kräftig gebaut. Die gesamte Familie arbeitete als ein großes Handwerker-Team und Torron war noch der am wenigsten irritierende von allen. Mit seiner Mutter beispielsweise, würde ich mich niemals anlegen wollen, bei der wäre ich nicht überrascht, wenn sie mit ganzen Tischen werfen würde. Ich löste die Zange von der Befestigung, erleichtert, das Gewicht nicht länger an mir tragen zu müssen und hielt sie dem jungen Mann entgegen. Er verstand sofort und nahm sie mir mühelos aus der Hand.
„Ah, wir haben bereits darauf gewartet. Danke, Cassidy.“ Seine hohe Stimme überraschte mich jedes Mal aufs Neue und ich nickte nur. Eine längere Antwort als „Kein Problem“ kam mir spontan nicht über die Lippen.
Er drehte sich um und schrie: „Vater, die Zange ist da!“ Meine Schultern hoben sich automatisch auf Grund der Lautstärke. Er stand ja schließlich direkt neben mir und ich war stolz, dass ich dem Drang widerstehen konnte, mir die Hände vor die Ohren zu halten.
„Einen Moment“, murmelte er mir zu trat wieder in das Haus hinein. Ich folgte ihm, ohne dass er mich einlud und musterte das Haus flüchtig. Es war kahl und für so eine große Familie wenig dekoriert. Und erstaunlich ruhig. Viele Mitglieder der Familie konnten nicht da sein. Ich beobachtete wie Torron die Zange scheinbar achtlos auf einer Kommode abstellte und in der Schublade nach etwas suchte. Wahrscheinlich meiner Bezahlung oder einem weiteren Auftrag, der irgendwo vermerkt wurde.
„Wie läuft die Arbeit so? Habt ihr viel zu tun?“, fragte ich interessiert. Die Stunks waren relativ beliebt für größere Arbeiten, da sie so gut zusammen arbeiteten, also waren ihre aktuellen Arbeiten immer ein guter Indikator für die zukünftige Planung der einflussreichen Menschen in El Topé.
„Wir helfen im Moment viel bei den Arbeiten am Bahnhof. Da ist noch viel zu tun, aber es gibt viele Leute, die wollen, dass es schnell fertig wird, also ist der Lohn ziemlich gut“, erzählt er. Ich verzog schon bei dem Wort ‚Bahnhof‘ das Gesicht und war froh, dass er von mir abgewandt war. Seine aktuelle Arbeitsstelle zu beleidigen wäre wohl nicht sonderlich klug gewesen. Ich wusste nicht viel über Züge, aber allein das Konzept war mir zuwider. Es würde um einiges schwieriger werden, denn Überblick über alle Menschen zu behalten, wenn plötzlich viele von ihnen kommen und gehen würden, in beliebigen, unvorhersehbaren Abständen. Angeblich waren wir als Hauptstadt mit so einer technischen Errungenschaft spät dran, aber meinetwegen könnte das auch noch ein paar Jahrzehnte dauern.
„Ist sicher schön, so ein Teil des Fortschritts zu sein“, erwiderte ich möglichst positiv im Versuch den Smalltalk am Laufen zu halten. Von dem Bau des Bahnhofs wusste ich bereits, der war ja kaum zu übersehen… oder zu überriechen. Ich war lange nicht mehr dort, und nahm mir vor, die Baustelle demnächst noch einmal zu besuchen. Genervte Arbeiter redeten und lästerten mindestens genauso viel wie alte Frauen beim Kaffeeklatsch. Ich merkte wie Torron mich erwartungsvoll anschaute.
„Bist du fertig?“, fragte er. Genervt von seiner Ungeduld setzte ich eine höflich lächelnde Fassade auf.
„Natürlich“, erwiderte ich prompt und nahm das kleine Säckchen Schmachten an. „Das ist dein Geld und da ist die Tür“, wies er mich an und zeigte mit einer Kopfbewegung Richtung Ausgang. Ich drehte mich um und verdrehte dann erst die Augen. Dieser Junge wurde auch echt nicht höflicher.
„Auf Wiedersehen“, rief ich übermäßig fröhlich in die Wohnung hinein, ähnlich laut wie er es getan hatte. Möglicherweise könnte ich die Antworten zählen und so wissen, wer alles zuhause war.
Natürlich antwortete niemand. Jedes Einzelne Mitglied dieser Familie war irritierend und es schlug mir gehörig auf die Laune. Ich verließ das Haus also und hörte, wie sich ohne ein weiteres Wort die Tür hinter mir schloss.
Ich seufzte tief, bevor ich meinen Botengang fortsetzte. Mit offenen Augen und Ohren schlenderte ich die Straße entlang bis ich schließlich den Marktplatz erreichte. Es war heller und voller geworden, auch wenn die Menschenmassen immer noch nicht sehr dicht waren. Spontan entschloss ich, mich ein wenig um zu sehen, vielleicht würde ich ja meinen Vater irgendwo entdecken. Oder etwas anderes Spannendes, bei den ganzen Menschen konnte man nie wissen. Es konnte alles passieren.
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Calluna
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El Topé    Empty Calluna Teil I

Fr Feb 09, 2018 6:02 pm
Als Calluna aufwachte, bemerkte sie, dass sie sich noch immer im Mausoleum befand. Sie hatte sich vergangene Nacht erneut rausgeschlichen, während die anderen geschlafen hatten, so wie ziemlich jede Nacht. Die Gruft des Mausoleums war für sie der einzige Ort, an dem sie ungestört ihre Forschungen durchführen konnte.  Ihr derzeitiges Forschungsobjekt war die Erbse.

Sie hatte Erbsen zermahlt und ihnen Natronlauge hinzugefügt. Anschließend hatte sie es dieses Mal mit ein paar Tropfen Kupfervitriol versucht, doch während sie auf eine Reaktion gewartet hatte, waren ihre Augen von alleine zugefallen.

Nachdem Calluna sich den Schlafsand aus den Augen gerieben hatte, fiel ihr auf, dass sich das Erbsengemisch tief violett verfärbt hatte. „Interessante Reaktion… aber was soll es bedeuten?“ sagte sie, ohne dabei wirklich jemanden zu adressieren. Der Anblick des Breis schien sie seltsamerweise hungrig zu machen. Wie spät es war, konnte sie nicht erahnen, denn in der Gruft war es stockdunkel und man gelang nur über eine Tür im Boden hinter dem Altar dorthinein.
Calluna beschloss, ihr Experiment mit einem Tuch zu bedecken und dort zu verstauen, wo man es nicht finden würde, falls sich jemand nach hier verirren sollte. Dass Calluna Magie praktizierte, war eigentlich schon zu viel des Guten, weswegen sie es auch vor den anderen Nonnen geheim hielt, aber dass sie auch noch eine Befürworterin der Wissenschaft war? Nein, das ging eindeutig zu weit! Wenn ihre Geheimnisse ans Licht kämen, würde sie in jedem Fall exmatriku- nein, wie heißt es… exkommuniziert werden. Selbst, obwohl sie die Tochter des Priesters war. Er würde sie höchstwahrscheinlich nie wieder sehen wollen.

Das erste was sie tat, nachdem sie sich wieder ins Kloster geschlichen hatte, war das gesamte Kloster von Kopf bis Fuß zu fegen. Irgendwie musste sie sich ja die Zeit vertreiben bevor es Essen gab.
Anschließend ging sie in den Klostergarten, um nach den Pflanzen zu sehen. Alle Pflanzen, die ihren Kopf etwas hängen ließen, tippte sie mit einer sanften Berührung an und bald standen sie wieder stolz und mutig. Ein Hahnenschrei vom nicht weit entfernten Hof erinnerte sie daran, dass es jetzt endlich Zeit war für die erste Mahlzeit des Tages: Getreidebrei. Oh, wie sie sich freute.

Nach dem Frühstück entscheid sie sich dazu die Kinder im Waisenhaus zu besuchen.
Kaum war sie da, sprangen drei Kinder um sie herum. „Calluna! Da bist du ja endlich, wir haben uns schon gefragt wann du kommst!“ sagte Mira, ein kleines Mädchen mit großen, runden braunen Augen und hellbraunem langen Haar. „Kannst du mit uns was spielen, Calluna?“ fragte Miras Bruder Aaron. Bevor sie eine Antwort geben konnte, spürte sie wie kleine Hände an ihrem Rock zupften. Sie schaute runter und sah Rosie, das jüngste Kind im Waisenhaus. Calluna hob sie hoch und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Na, meine kleine Knospe. Was möchtest du mir sagen?“ Mit leiser Stimme fragte sie „Verstecken?“.

Nachdem die Kinder irgendwann keinen Spaß mehr an dem Versteckspiel hatten und sich stattdessen viel mehr für ein Brettspiel interessierten, ging Calluna zurück ins Kloster. Dort wurde sie bald von Schwester Yolanda aufgehalten. Sie war seit sie sich zurück erinnern kann schon immer eine kalte und strenge Frau. „Schwester Calluna, Äbtissin Rosemarie hat mich gebeten dich zu ihr zu schicken.“ „Ich werde mich auf der Stelle zu ihr begeben“.

„Es ist ein Brief von deinem Vater“
„Er braucht meine Hilfe“


Calluna dachte erneut an den Brief den ihr Vater ihr zukommen ließ, während sie ihre Tasche für die Reise packte. Verabschieden muss sie sich nicht, die Äbtissin würde es den anderen Schwestern mitteilen. „Ich hoffe nur in der Zeit wo ich weg bin passiert hier kein Unglück“.
Sie trug ausnahmsweise eine Hose, so ist es praktischer zum Reiten. Nicht, dass sie keine Hosen mag, aber als Nonne im Kloster trug man einzig und allein seinen Habit.  Zuletzt steckte sie sich ihre Haare hoch,  und bindet sich einen Umhang um, bevor sie auf ein Pferd aufstieg und los ritt.

Der Ritt vom Kloster bis nach El Topé dauerte ungefähr einen halben Tag. Als sie an den Toren angekommen war, war es schon tief in der Nacht.

Wenn sie sich nicht irrte, war das hier das nordöstliche Viertel von El Topé. Jedoch konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, was das für sie bedeutete. Aber da es schon zu dunkel war, entschied sie sich dazu, eine Gaststätte aufzusuchen. Sie versuchte es in der nächstbesten Nebenstraße und –ein Wunder – dort war tatsächlich eine. „Antonio’s? Klingt so als könnte man dort gutes Essen bekommen“.
„Na meine Süße, was kann ich denn für dich tun?“ Sagte die Frau hinter der Theke, während sie Calluna zuzwinkerte. Sie hatte braune, schulterlange Haare die sie zu einer schönen Hochsteckfrisur gemacht hatte. Zudem trug sie ein feines Kleid. „Ich hätte gerne ein Zimmer für diese Nacht“ antwortete Calluna. „Selbstverständlich, soll ich dir meine Mädchen vorstellen?“ sie zeigte mit ihrem Finger in Richtung der Frauen, die an den Bänken saßen und mit Kunden redeten.
„Mein Name ist Sasha“ sagte die Frau an der Theke „die kleine mit den dunklen Haaren ist Mia. Die große Blonde ist Belle. Und das ist“-  
„Eden“ unterbrach sie Sasha. „Mein Name ist Eden, dürfen wir auch deinen Namen erfahren?“ fragte die Frau, die jetzt vor ihr stand. Sie war ungefähr genauso groß wie sie selbst, hatte rote Haare, die zusammen gebunden waren in einem aufwendigen Zopf. „Mein Name ist Calluna, ich komme aus dem Kloster von Lichtenbusch und suche eine Bleibe für diese Nacht.“

Stille.

Was Calluna nicht sah, war, dass sich die Damen gegenseitig anschauten und verwirrte Blicke austauschten. Nach einer gefühlten Ewigkeit  sagte Sasha „Wenn das so ist, dann gebe ich dir selbstverständlich sofort den Schlüssel zu deinem Zimmer, nicht wahr Mädchen?“ die anderen nickten still, immer noch etwas irritiert. Nur Eden trug ein Lächeln auf ihren Lippen. Ein Lächeln, dass Calluna weder verstehen konnte, noch wollte. „Darf ich Ihnen ihr Zimmer zeigen, Schwester?“

Ihr Zimmer war groß und gemütlich. Es war angenehm warm und überall lagen Kissen. Auf dem Nachttisch befand sich eine Schale voller Wasser. Blumen sorgten für eine ruhige Atmosphäre und einen süßen Duft im ganzen Raum.  

Trotzdem… trotzdem hatte sie ein unwohles Gefühl. Es fühlte sich an als würde ihr Magen sich quer drehen. Ihr Puls erhöhte sich. Dieses Gefühl hatte sie noch nie gespürt. Aber die Symptome waren eindeutig: Verabscheuung.

Am nächsten Morgen weckten sie die Kirchenglocken die das Fest ankündigten.
Dann wusste sie… nichts wird mehr so sein wie früher.
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Leyla
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El Topé    Empty Leyla - Teil 1

Sa Feb 10, 2018 9:57 pm
“Guten Morgen allerseits, ich hoffe ihr habt schlecht geschlafen!“, hallte es laut durch den nur spärlich erleuchteten Gang. Als Antwort ertönte nur hier und da ein genervtes Grummeln.
Dann war nun also der letzte Tag vom Fest des Lichts angebrochen, wenn mich nicht alles täuschte. Und damit auch meine Chance auf große Ausbeute! Während des Höhepunkts des Festes würden nur wenige Einwohner von El Topé Zuhause bleiben – eine bessere Gelegenheit irgendwo einzusteigen gab es fast nicht.
Doch zuallererst musste ich hier raus. Hinter Gittern war bekannterweise meist nicht sehr viel zu holen, auch wenn ich die letzten Tage ohne Stress und Sonnenlicht tatsächlich genossen hatte. Die Wachen hatten meine Anwesenheit hier schnell vergessen, schließlich war ich mit meinem Schattenmantel in der dunklen Ecke meiner Zelle so gut wie gar nicht zu erkennen und ohnehin nur eine von Vielen, die in dem Getümmel während des Festes ihre Finger nicht in ihren eigenen Taschen hatten lassen können. An den ersten beiden Tagen hatte ich tatsächlich einiges an Wertsachen und Schmachten in meinen Besitz bringen können, am Dritten war ich dann allerdings etwas übermütig geworden. Zwar hatten die Stadtwachen das Saphiramulett in den Taschen meines Mantels nicht finden können, aber ich war „die einzige verdächtige Person“, um es in den Worten der früheren Besitzerin zu sagen, welche sie in der Zeit zwischen Kauf und Verschwinden des Schmuckstücks in ihrer Nähe gesehen hatte.
Nicht, dass Taschendiebe normalerweise auffällig verdächtig waren, aber wer hörte schon auf die Worte einer „heuchlerischen Dunkelelfe“. Außerdem hatte ich wohl nicht wirklich das Recht, mich zu verteidigen: Schließlich war ich diejenige, die das Amulett gestohlen hatte.
Ich hörte die Wache näherkommen, welche Brot und Wasser an die Gefangenen verteilte. Er wollte sich gerade, ganz in seine Routine vertieft, herunterbeugen und das karge Frühstück durch die Gitterstäbe stellen, als er verdutzt noch einmal aufsah. Er ließ seinen Blick durch meine Zelle gleiten, ohne dass er dabei bei mir hängenblieb. Wie ich meinen Schattenmantel doch liebte! Zum Glück konnte er so unscheinbar aussehen, dass er mir bei der Verhaftung nicht abgenommen wurde.
„Von wegen alles voll!“, rief der Wachmann über seine Schulter und drehte sich weg, um seine Arbeit bei den anderen Gefangenen fortzusetzen, „Hier ist noch eine Zelle frei! Da muss wieder jemand bei den Akten gefuscht haben.“
„Ich kann es demjenigen nicht verübeln. Wer kann bei den ganzen Dieben, Saufbolden und Unruhestiftern schon den Überblick behalten?“
„Stimmt auch wieder. Aber sobald das Fest endet, sollte sich hoffentlich alles wieder beruhigen.“
„Ich kann es kaum erwarten. Hörst du dir später die Rede an?“
„Zusammen mit meiner Familie, ja. Meine Frau will zur Feier des Tages einen Braten machen, bevor wir losgehen! Ich bin mir sicher, ...“
Die Stimmen verebbten, als die beiden Wachen den Gang verließen, um ihre morgendliche Runde in einem anderen Teil des Kerkers fortzusetzen. Kaum waren sie weg, hörte ich Bewegung aus den umliegenden Zellen, als sich deren Insassen über ihre Mahlzeit hermachten. Ich trauerte meiner Ration nicht wirklich hinterher: Das Brot war aus Erfahrung sehr trocken und das Wasser hatte aus den billigen Krügen einen stark modrigen Geschmack. Außerdem hatte ich wie gesagt eh nicht vor, noch lange hierzubleiben. Ich musste nur noch auf den nächsten Schichtwechsel warten, dann sollten auch die letzten Wachen mit ihrem Frühstück fertig sein und sich für ihre Patrouillen in die Stadt begeben haben. Das würde die Chance ihnen zufällig zu begegnen deutlich verringern, wenn nur noch die wenigen zurückblieben, die heute mit der Bewachung des Kerkers beauftragt waren. Alles andere war ein Kinderspiel.

Leider musste ich etwas später feststellen, dass ich meinen alten Ausbruchsplan wohl überdenken musste. Ein Zellengenosse war in diesem nun wirklich nicht enthalten gewesen und ich konnte wohl nicht damit rechnen, dass der Neuankömmling meinem Verschwinden einfach still zusehen würde. Er war offensichtlich von der lauten Art Häftling. Kaum, dass die Gittertür hinter im zuknallte und ein deutlich hörbares Klicken das Schließen des Schlosses verkündete, rief er lauthals:
„Ihr könnt mich einsperren, aber das heißt nicht, dass ihr im Recht seit!“
Ich rollte mit den Augen. Einer von der Sorte.
Bei den Wachen stieß er damit nur auf taube Ohren, sie wandten sich einfach ab und gingen zurück nach wo auch immer sie hergekommen waren. Auch sein frustrierter Schlag gegen die Eisenstäbe, welche ihm sichtlich mehr Schaden zufügte als dem Metall, wurde gekonnt ignoriert.
Ich seufzte lautlos und ging schnell meine Möglichkeiten im Kopf durch. Nicht, dass es besonders viele waren. Ihn bewusstlos zu schlagen könnte schief gehen und würde so oder so zu viel Aufmerksamkeit erregen. Ihn einfach zu ignorieren würde auch nicht funktionieren. Also blieb mir nur eines übrig: Ich musste ihn Wohl oder Übel mitnehmen. Na toll …
Ich musterte mein Gegenüber genauer. Er hatte sich noch immer nicht zu mir umgedreht, doch stand er gerade so im Schein einer der wenigen Fackeln auf dem Gang, dass ich seine spitzen Ohren erkennen konnte, welche aus seinen kurzen braunen Haaren herausstanden. Ein Elf also.
Seine Haut war ziemlich braun, aber bei weitem nicht dunkel genug für einen Wüstenelfen. Wahrscheinlich ein Waldelf, aber um sicher zu sein müsste ich seine Augen sehen.
„Ziemlich große Worte für einen - “, fing ich an und er wirbelte erschrocken herum. Tatsächlich: Waldelf. „ - Wilderer, würde ich vermuten.“
Er brauchte eine Weile, bis er mich in meiner dunklen Ecke fand. Seine defensive Haltung machte nur zu deutlich, dass er nicht wusste, was er von meiner Anwesenheit halten sollte.
„Wer bist du?“, fragte er misstrauisch.
„Was für eine Rolle spielt das? Dich sollte vielmehr interessieren, was ich dir anzubieten habe.“
Er verengte die Augen und versuchte erfolglos, mein Gesicht zu erkennen.
„Ich nehme nichts von Verbrechern an“, erwiderte er stur.
„Dein Ernst? Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte: Wir sitzen hier beide in der selben Zelle. Was ich übrigens zu ändern gedenke, falls dir das hilft deine Prioritäten richtig zu setzen.“
Den letzten Teil sagte ich gerade laut genug, dass nur er mich verstehen konnte. Ich wollte nicht noch mehr Leute in meinen Plan involvieren müssen.
Zu meiner Erleichterung schien er zu verstehen, worauf ich hinauswollte und kam einen Schritt näher.
„Du willst ausbrechen?“, flüsterte er.
Er konnte also doch leise sein! Was für eine Erleichterung.
„Richtig. Also was sagst du, bist du dabei?“
Er musste nicht lange überlegen.
„Ist nicht so, als hätte ich viel zu verlieren. Was ist der Plan?“
Noch immer etwas misstrauisch, aber deutlich offener setzte er sich in meiner Nähe an die Wand. Ich schüttelte jedoch den Kopf.
„Zu kompliziert zu erklären, aber leicht zu folgen. Tu einfach, was ich sage, dann sollte alles gutgehen.“
Er schien nicht gerade begeistert, beschwerte sich aber nicht.
„Na gut, und wann geht‘s los?“
Wie auf‘s Kommando ertönten Schritte auf dem Gang. Dieser Rundgang war für mich das Zeichen, dass der Schichtwechsel gekommen war. Der Wilderer schien sie ebenfalls gehört zu haben und wartete ruhig, bis die beiden Wachmänner an unserer Zelle vorbei- und den Gang heruntergegangen waren, bis ihre Schritte nicht mehr zu hören waren.
„Jetzt“, antwortete ich kurzgebunden und zog meine Dietriche aus einer der versteckten Taschen meines Mantels. Nur wenig später sprang das Schloss unserer Zelle mit einem leisen klick auf und ich bedeutete meinem Anhängsel, mir auf den Gang zu folgen. Er schien verwundert, als wir nicht Richtung Ausgang, sondern tiefer in den Kerker hineinliefen, beschwerte sich aber nicht und folgte mir wie ein braves Hündchen. Ich hoffte nur, dass er sich nicht als ähnlich nervig herausstellte …

Meine Sorgen bewahrheiteten sich zum Glück nicht und der restliche Teil unseres Ausbruchs verlief ohne größere Zwischenfälle. Wir konnten sogar noch dem Lagerraum einen Besuch abstatten, in welchem die persönlichen Gegenstände der Gefangenen gelagert wurden. Es war eventuell möglich, dass ich das Gefängnis mit ein paar mehr Dingen verließ, als ich vor meiner Verhaftung besessen hatte. Der Wilderer schien sich dagegen damit zufrieden zu geben, nur sein eigenes Hab und Gut zurückzubekommen.
Vom Lagerraum aus stiegen wir noch einige Treppen tiefer in den Kerker hinab, bis wir unser Ziel erreichten: In einer der hintersten Ecken, hinter einem unscheinbaren, rostigen Gitter, lag ein Eingang in den Untergrund der Stadt. Unser Fluchtweg.
Während wir durch die Dunkelheit liefen, musste ich mich missmutig damit abfinden, dass sich der Wilderer an meinem Mantel festhielt. Aber diese Lösung war mir doch lieber als die Alternative: Händchenhalten.
Ich war oft genug ausgebrochen, um den schnellsten Weg nach draußen genau zu kennen, sodass es nur wenige Minuten brauchte, bis wir den Ausgang erreichten. An der rostigen Leiter machte ich halt.
„Warte kurz hier. Ich kletter zuerst hoch und öffne oben die Luke, dann siehst du vielleicht etwas mehr.“
Zu meiner Überraschung ließ er tatsächlich sofort los. Hatte er keine Angst, dass ich ihn hier zurückließ?
Wie auch immer, nicht mein Problem. Schnell kletterte ich die leicht glitschigen Sprossen hoch, die Feuchtigkeit und das leise Prasseln über uns deutete stark auf Regen. Ein gutes Zeichen: Dann würde ich mit meiner Kapuze im Gesicht weniger auffallen!
Die schwere Steinluke saß leicht fest, aber mit etwas mehr Kraftaufwand konnte ich sie letztendlich dazu überreden, sich zu öffnen. Ich kniff die Augen zusammen, als das Sonnenlicht durch den Spalt brach. Es war zwar wegen der Wolken nicht besonders hell, aber immer noch etwas zu viel für meine stark an die Dunkelheit gewöhnten Augen.
„Du bist ja eine Elfe!“, stellte der Waldelf sichtlich überrascht fest.
„Ich bewundere dein Auffassungsvermögen“, erwiderte ich stumpf, zog mir die Kapuze meines Mantels über den Kopf und schlüpfte nach draußen. Der Ausgang lag in einer abgelegenen, selten besuchten Seitengasse, was gerade für diese Aktionen sehr gelegen kam.
Ich wollte mich gerade auf den Weg in die Stadt machen, als ich zurückgerufen wurde:
„Hey, warte! Du hast mir noch nicht deinen Namen verraten!“
Ich drehte mich widerwillig um. Bekanntschaft zu schließen war nun wirklich nicht meine Intension dahinter, dass ich ihn mitgenommen hatte.
„Ich bin übrigens Adian!“, versuchte es der Wilderer weiter, als ich nicht direkt antwortete. „Und ich bin kein Wilderer.“
Ich sah ihn skeptisch an.
„Okay, vielleicht habe ich schon das ein oder andere Wild im Wald gejagt, aber wir Waldelfen waren sowieso die ersten, die dort gelebt haben! Es ist ungerecht, dass wir nicht das Recht haben sollten, unseren Traditionen nachzugehen und zu jagen!“
Interessant, hieß das vielleicht …
„Also bist du ein Rebell?“
„Verdammt richtig! Deshalb haben sie mich eingesperrt. Ich habe versucht, mehr Leuten klar zu machen, dass gerade einiges verdammt falsch läuft! Nicht nur, dass wir von einer Menschenfamilie regiert werden, so langsam sollte auch der letzte Idiot begriffen haben, dass die Königin kein Kind kriegen wird. Sobald der König stirbt, ist Prinz Lucien der einzige Nachfolger. Ein König ohne Magie! Kannst du dir das vorstellen?“
Er schüttelte sichtlich entrüstet den Kopf und sah mich erwartungsvoll an. Ich schwieg.
Plötzlich schien ihm ein Licht aufzugehen.
„Warte, du kommst mir bekannt vor! Bist du nicht die Elfe, die sie vor wenigen Tagen zu Unrecht wegen Diebstahl verhaftet haben? Die, die angeblich ein Amulett gestohlen haben soll?“
Ich machte mir nicht die Mühe ihn zu korrigieren und nickte nur.
„Diese Bastarde und ihre Vorurteile! Ich denke, du solltest dich uns auch anschließen. Was sagst du? Ich kann sicher ein gutes Wort für dich bei unserem Anführer einlegen.“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich überleg‘s mir. War‘s das dann?“
„Du hast mir immer noch nicht deinen Namen verraten!“
Der Kerl ließ aber auch nicht locker. Nagut, was sollt‘s.
„Leyla“, murmelte ich und drehte mich nun endgültig weg und lief Richtung Stadt.
„Alles klar Leyla, ich hoffe ich sehe dich bald wieder!“, rief mir der Nicht-Wilderer hinterher. Ich hob zum Abschied nur abwesend die Hand.
Er kannte mich also nicht? Dann war er wohl wirklich kein Verbrecher.
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Ruven
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El Topé    Empty Ruvens Ankunft in El Topé

Di Feb 20, 2018 1:32 pm
„Wir haben einen Gast.“ Eine tiefe, schlagkräftige Stimme sprach aus einer Ecke des Raumes. „Lass sie nur hereinkommen, Lagrange. Vielleicht lernen Sie.“ Ruven lag reglos auf etwas Weichem, er konnte nichts von dem Raum erkennen, in dem er sich befand. Einzig und allein das Summen einer Apparatur und das Quietschen von Stühlen waren hörbar. Und diese tiefe Stimme des Mannes namens Lagrange, bei der es Ruven kalt über den Rücken lief. Nie zuvor hatte er bei einer Stimme solch ein Unbehagen gespürt. Wenige Augenblicke später ertönten Schritte von außerhalb des Raumes. Ruven hörte, wie sich ein Schalter umlegte. Es folgte ein schrilles Surren. Die Schritte wurden lauter. Einer der Männer im Raum ging mit dem Surren von Ruven weg. Die Schritte hörten auf. Stille. Nur das leise Surren ertönte den Raum; prallte an den Wänden ab, riss die Haut auf, drang aus allen Winkeln unter sie, um die Ohren von innen mit Schmerz zu penetrieren. Die Tür knallte. Das Surren wurde ein kreischendes Stechen.


Ruven wachte unter einer stichigen Berührung geschreckt auf. Es war Lesla, die versuchte, ihn zu kitzeln. „Ruven, Aufwachen!“ „Lesla!“ Lesla war eine sehr gute Freundin von Ruven. Sie kannten sich noch aus der Magieschule. Es war eine Überraschung, sie des Nachtens hier in seinem Zelt zu sehen.
„Du bist ja ganz schweißgebadet!“, erwähnte Lesla. Ihre Stimme war eine angenehme Beruhigung. Lesla sprach sanft, aber klar und bestimmt.
„Der Alptraum“, stammelte Ruven erschöpft. Das Mädchen blickte ihn besorgt an. „Komm, ich hab was, um dich aufzuheitern. Zieh dich an, ich warte vor dem Zeltlager auf dich.“
Ruven stand erfreut auf, da er sowieso zu aufgeregt war, um weiterzuschlafen. Er kramte seine Socken und viel zu großen, warmen Pullover aus seinem Rucksack hervor, wobei die natürlich ganz unten waren, sodass er seine gesamte Arbeitskleidung inklusive Goggles beiseitelegen musste. Lagrange. Er konnte nicht anders, als die ganze Zeit an diesen einen Namen zu denken. Ruven wusste, dass es nur ein Traum war, aber es fühlte sich wie das Gegenteil an. Dieser Traum verfolgte ihn, seit er ein kleines Kind war, besonders dann, wenn er von einem stressigen Arbeitstag nach Hause kam, um sich um seine Eltern zu kümmern. Obwohl er erst seit einem Tag unterwegs war, vermisste er Mutter und Vater schon jetzt. Ruvens Familie war nicht die reichste, aber dennoch glücklich und selbst in Krisenzeiten war jeder für jeden da.
„Ruven, was brauchst du denn so lange?“
„Ich komm schon!“
„Okay, ich geh schon einmal ein Stück vor, du findest mich am Ufer.“
Lesla war nicht die gerade die Geduldigste, was öfter in kleineren Streiten endete, da Ruven die Gewohnheit hatte, gerne mal einfach nichts zu machen. Seine Goggles und Arbeitskleidung verstaute er wieder in seinem Rucksack und ging zu Lesla nach draußen.


Die kühle Brise einer dunklen Sommernacht streichelte seine Wangen. Ruven schloss sein Zelt und schlängelte sich zwischen eng aneinander aufgestellten Zelten Richtung See hindurch. Gut, dass man Ruvens Zelt aufgrund der purpurnen Farbe gut erkennen konnte, sonst hätte Lesla ihn unter all diesen Menschen nie gefunden. Am Rande des Lagers angekommen, erblickte er seine Kumpanin ein paar Meter entfernt an einer abgeschotteten Ecke am Seeufer. Der Schwarzsee erstreckte sich in seiner ganzen Pracht über den Horizont. Nicht an vielen Orten, die Ruven bekannt waren, hatte man im Lande solch einen schönen Ausblick. Ein gewisses auf den Füßen hin und her trippelndes Mädchen hinderte ihn allerdings daran, weiter darüber nachzudenken.
Als Ruven bei Lesla ankam, umarmten sie sich zur richtigen Begrüßung und setzten sich auf Baumstämme mit Ausblick auf den See.
„Wie war deine Reise bisher?“, fragte Lesla.
„Nicht besonders. Du kennst ja die Arbeitertruppe. Immer motiviert. Vor allem jetzt, da der heutige Tag wichtig für neue Kunden aus der ganzen Welt ist.“
Ruven arbeitete als Forscher und öffentlicher Vertreter für die größten Fabriken, die es bisher gab. Zugegeben, es gab nicht allzu viele nennenswerte Fabriken - zwei oder drei in der Hauptstadt, ein paar nordwestlich von dem Schwarzsee, aber nirgendwo einen so großen Komplex wie in Hakravear, seiner Heimatstadt. Seit Urzeiten erforschten die Menschen in Hakravear unter der Hilfe vieler hauptsächlich Blitzmagier Erze aus den von der Stadt aus sehr nahen Bergen, um neue Geräte zu erfinden und zu produzieren. Ruven selber war erst am Anfang seiner Karriere. Lesla hingegen hat sich entschieden, selbstständig zu werden und bereist die Lande als bekannte Händlerin und Erfinderin, der kaum Grenzen gesetzt sind. „Wie läuft bei dir die Arbeit, Lesla? Hast du Erfolg?“
Lesla antwortete mit breitem Grinsen. „Und ob! Schau und staune: Das…“, sie holte ein kleines Gerät aus ihrer Jackentasche, „ist meine neuste Erfindung.“
Ruven betrachtete das Gerät. „Ein kleiner Kasten mit einem Knopf.“
„Ein kleiner Kasten mit einem Knopf, der…“, es folgte eine dramatische Pause, bis Lesla den Knopf drückte und den Satz vollendete, „Feuer spucken kann! Na, ist das was? Ich dachte, wir können uns ein Lagerfeuer anmachen und bis zum Beginn des anstrengenden morgigen Tages noch ein bisschen entspannen.“
„Hört sich super an! Wie funktioniert der Kasten?“, erkundigte sich Ruven, während sie ein Lagerfeuer vorbereiteten.
„Im Kasten ist ein Streifen von Fulgur. Wenn der Knopf gedrückt wird, wird das Fulgur durch einen Mechanismus unter Druck gesetzt, wodurch es Stromenergie freilässt, die mit Kupferleitungen zu einer Öffnung geleitet wird, an der eine Düse ist, die gleichzeitig mit dem Knopfdruck brennbares Gas aussprüht, das von der Elektrizität entzündet wird. Ich weiß nur noch nicht, wie ich den Kasten nennen soll!“
Natürlich mit Fulgur, dachte sich Ruven. Fast jede Erfindung enthält Fulgur. Schließlich ist dieses Erz aus den Bergen die Quelle der Blitzmagie. Ohne seinen Fulgurring ist ein durchschnittlicher Blitzmagier nichts weiter als ein gewöhnlicher Mensch. Zum Glück war Ruven kein durchschnittlicher Blitzmagier. Einige Blitzmagier hatten das Element von Geburt an in sich und andere brauchten zusätzlich zur genetischen Vererbung noch einen Ring. Die Forschung hat dieses Rätsel bisher noch nicht gelöst. Jedenfalls ist Ruvens Magie ohne Ring trotzdem so schwach, dass er ohne seinen Ring nicht mit dem Niveau auf der Arbeit mitkommen würde.
„Nenne es doch Feuergerät. Ein Gerät, das Feuer macht - das wird jeder sofort kaufen wollen!“ Mittlerweile hatten sie das Lagerfeuer angemacht und genossen die Wärme, die es ausstrahlte.
„Ich werde es mir überlegen. Gibt es denn bei dir Fortschritte bei der Arbeit?“
„Ja, große sogar! Das Projekt Gefährt auf Schienen ist fast fertig! Die ersten Bahnhöfe in El Topé und Hakravear machen in den nächsten Wochen auf und dann sind nur noch Bauarbeiten übrig, keine Arbeit mehr für meine Forschung. Hoffentlich hilft uns der König mit seiner Rede morgen auf dem Fest mit der Werbung, wir müssen viel Geld einholen, um alles wieder auszugleichen.“
„Ich drück euch die Daumen! Ich bin schon ganz gespannt auf die Rede! Es ist so schade, dass wir sie uns nicht zusammen anhören können.“
Ruven zuckte enttäuscht mit den Schultern. „Die Arbeit an unseren Ständen auf dem Marktplatz lässt sich leider nicht verschieben. Aber hey, wie wäre es, wenn wir danach zusammen in eine Kneipe gehen?“ Insgeheim hoffte Ruven darauf, seiner Kumpanin heute Abend, wenn endlich einmal beide genug Zeit haben, näher zu kommen.
„Ja, das hört sich gut an! Am Abend eines solchen Tages munden ein, zwei Bier in bester Gesellschaft hervorragend.“

Lesla und Ruven unterhielten sich noch einige Zeit. Zusammen vergaßen die zwei die anstrengende Arbeit und waren einfach froh, egal, was sie unternahmen. Deshalb vergaßen sie auch die Zeit, bis sie plötzlich merkten, dass selbst der letzte Funke vom Lagerfeuer erloschen war. Lesla musste sich verabschieden, da sie schon früh am Morgen vor dem Trubel des Festes ein wichtiges Treffen unter Erfindern hatte. Ruven für seinen Teil ging zurück in sein Zelt und legte sich noch kurz hin. Er hatte Glück, denn Gedanken rund um Lesla verdrängten seinen schlimmen Alptraum und die letzten zwei Stunden schlief er ruhig und fest.


Früh am Morgen war es dann auch schon so weit. Die Arbeiterklamotten angelegt und die Zelte eingepackt, wanderten die Arbeiter Hakravears Richtung Hauptstadt, um durch die noch leeren, großen Straßen in El Topé auf den Marktplatz zu gelangen. Kurz nach Sonnenaufgang kamen sie an und stellten ihre Stände auf. In weniger als einer Stunde würden die Menschen vorbeikommen, um sich die Stände anzuschauen und das Fest zu genießen. Und natürlich, um die legendäre alljährliche Rede des Königs Ambert Lucien III. zu verfolgen. Lesla winkte Ruven von ihrem Stand aus. Ruven lächelte zurück. Hoffentlich geht der Tag schnell vorbei, dachte Ruven und gab sich seiner Arbeit hin.
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El Topé    Empty Re: El Topé

Mo März 12, 2018 8:25 pm
"Gehst du auch zum Lichtfest?" fragte mich ein kleiner Junge, der zu einer wohlernährten Bauernfamilie gehörte. Ich zögerte kurz mit meiner Antwort; immerhin wusste ich nicht wie die Leute hier auf einen Fremden reagieren, der einfach nur Arbeit sucht. Doch was konnte ich schon verlieren? Bis zu meinem Ziel war es noch weit und vermutlich war es bessr die Reaktion hier auf dem Land kennen zu lernen, als in einer beengten Stadt.
"Nein" sagte ich schließlich, "ich bin nur auf der Suche nach Arbeit und habe noch einen langen Weg vor mir." In den Gesichtern der anderen Reisenden konnte ich keine klare Reaktion erkennen, aber auch nicht die erwartete Ablehnung.
"Aber Papa sagt, dass jeder dorthin geht. Auch die, die arbeiten müssen. Das Fest ist das größte und schönste auf der ganzen Welt."
"Echt? Wenn das wirklich so schön ist wie du sagst sollte ich es mir vielleicht auch einmal anschauen." Eigentlich wollte ich mir diesen Luxus im Augenblick nicht gönnen, um nicht länger als nötig von meinem Ersparten zu leben, aber ich wollte auch nicht unhöflich sein. "Wo ist das denn?"
"Das weiß doch jeder" antwortete er in einem Ton, als hätte ich eine dumme Frage gestellt, mit der ich nur sein eigenes Wissen testen wollte.
"Ich weiß das aber nicht. Ich kommte nicht von hier und bin schon seit ein paar Wochen unterwegs."
"Von wo kommst du denn?"
"Das ist eine lange Geschichte."
"Bis nach El Topé ist es auch noch ganz weit. Da hast du doch genug Zeit."
"Zur Hauptstadt? Ich dachte du gehst mit deiner Familie zum Lichtfest?"
"Aber das ist doch in der Hauptstadt." Ein wenig unsicher schaute der Junge zu seinem Vater hoch, der nun ebenfalls anfing an unserem Gespräch teilzunehmen. Erst so erfuhr ich von der Bedeutung dieses Festes. "Es muss wirklich schon etwas Besonderes sein, wenn Leute 3 Tagesmärsche auf sich nehmen und eine Woche Arbeit dafür ausfallen lassen", dachte ich für mich selbst, ohne noch einmal auszusprechen, was alle anderen wussten. Nachdem ich ausreichend über das Fest aufgeklärt worden war, konnte ich nicht anders, als zu grinsen und mich darüber zu freuen, dass auch ich dieses Fest miterleben dürfe, denn es befand sich genau an meinem Ziel.

Es dauerte bis ich meine Gedanken wieder ausreichend sortiert hatte um klar denken zu können. Schließlich ging ich wieder auf den Jungen zu und frage: "Nun. Wie es aussieht haben wir wirklich eine lange Reise vor uns. Möchtest du immernoch wissen wo ich herkomme?"
Er gab keine Antwort, aber seinen Ausdruck deutete ich als "ich warte nur darauf, dass du anfängst zu erzählen". Also tat ich dies.
"Ich komme aus einem Dorf namens Bracktal. Zu Fuß läuft man über einen Monat bis hier hin. Früher war ich ein Bergarbeiter, so wie viele andere aus dem Dorf auch. Ich selbst zählte dort zu den Begabtesten, da ich durch meine Metallmagie ein Gespür dafür hatte wo besonders viel Metall zu finden war. Trotzdem hat mir der Beruf keinen all zu großen Spaß gemacht. Wir sind dort sehr arm und müssen jeden Tag sehr lange arbeiten. Deswegen habe ich mir überlegt weg zu zieh'n. Im Dorf wurden oft Geschichten erzählt und wenn darin Leute aus Aerwetea vorkamen, waren sie immer sehr wohlhabend und gebildet die nettesten Menschen von allen. Aber sicherlich hat dir auch schonmal jemand erzählt, dass man nicht alles glauben soll, vor allem, wenn es zu schön klingt um wahr zu sein.
Also bin ich an Markttagen oft in die nächste Stadt gegangen, um mich dort mit Händlern zu unterhalten. Einer war sogar so freundlich mir eine alte Karte zu schenken. Sie ist zwar nicht mehr ganz aktuell, aber große Städte entstehen oder verschwinden ja auch nicht über Nacht.
Manche Händler wiesen mich zwar schroff ab, weil sie nur mit Leuten reden wollten, denen sie auch etwas verkaufen konnten, aber irgendwann hatte ich trotzdem Vieles gehört und schließlich den Entschluss gefasst nach Aerwetea zu ziehen.
Bis dahin hatte ich nur wenigen Dorfbewohnern von meiner Idee erzählt. Viele Leute, vor allem die konservativen Älteren meinen bei uns nämlich, dass ich sie verraten und mit der harten Arbeit allein lassen würde. Dass sie mich jetzt auch nicht mehr ernähren müssen, vergessen sie dabei gerne. Am Tag vor meiner Abreise erzählte ich es dann aber allen, damit ich nicht als vermisst angenommen werde und die Leute sich nicht unnötig viel um mich sorgen. Wie erwartet, gab es auch viel Kritik an meinem Plan, aber die verstärkte meinen Wunsch zu gehen nur um so mehr.
Als ich am nächsten Tag früh morgens aufbrach stand zu meiner Überraschung ein Mann namens Peter vor mir und wollte mich daran hindern zu gehen - zur Not auch mit Gewalt wie man an seinem Messer leicht erkennen konnte. Ich versuchte auf ihn einzureden, damit er mich gehen lässt, aber es half nichts. Also versuchte ich mit meiner Magie sein Messer weg zu nehmen, damit er mich zumindest damit nicht angreifen konnte, sobald ich an ihm vorbei wollte. Es war aber noch früh am morgen und ich war noch müde. Vermutlich deswegen reichten meine Kraft und meine Reichweite nicht aus. Peter lachte nur schäbig und rannte dann auf mich los, ohne zu bedenken, dass mein Magnetfeld stärker wird, um so näher er kommt. Doch kurz bevor er mich erreicht hatte stolperte er und wurde zu meiner eigenen Überraschung an seinem Fuß in die höhe gezogen. Offensichtlich hatte er dort noch ein weiteres Messer versteckt, das nun zusammen mit seinem ersten Messer im Magnetfeld schwebte. In der Luft konnte er sich nicht mehr verteidigen und so ging ich vorsichtig und mit ausreichendem Abstand an ihm vorbei und ließ ihn wenig später fallen. Zum Glück machte er jetzt keine Anstalten mehr mich am weitergehen zu hindern..."
So ging die Geschichte meiner Reise noch eine Zeit lang weiter, aber ein paar Details ließ ich aus. Z.B., dass ich mit Peter bis vor kurzem noch befreundet war, oder dass er mich nicht weiter angegriffen hat, weil er sich etwas gebrochen hat als ich ihn fallen ließ.

Bis zu unserer Ankunft in El Topé unterhielt ich mich noch oft mit der netten Bauernfamilie. Ich vergas dabei sogar schon fast, dass sie nur wegen dem Fest des Lichtes herkamen.
Beim Durchschreiten der Stadttore kam diese Erinnerung wieder zurück und ich war wie gelähmt von dem Anblick, der sich mir hier auftat. Alles war noch schöner hergerichtet als ich erwartet hatte. Das fing damit an, dass die Marktstände kein notdürftig gezimmertes Provisorium waren und endete mit Details wie der Bannern des Königs auf den kleinen Fähnchen, die vielerorts platziert waren. Aber der ganze Prunk war nicht nur für diesen Tag hervorgezaubert. Allein die Anzahl an Steinhäusern zeugte vom gewaltigen Wohlstand.
Ich weiß nicht wie lange ich wie in Zeitlupe vor mich hin schlenderte und alles betrachtete, aber als ich mich wieder umschaute waren meine Reisebegleiter verschwunden. Ich war enttäuscht, ja fühlte mich schon fast verletzt, einfach so von ihnen allein gelassen zu werden. Insgeheim hatte ich sogar die Hoffnung gehabt bei ihnen Arbeit zu finden, es aber nie ausgesprochen. Vermutlich war es aber auch besser so. Ställe ausmisten ist für mich genauso unbefriedigend wie das Arbeiten unter Tage. Mein Traum wäre ein Bauwerk zum Wohle der Allgemeinheit zu errichten. Doch genauso wie mein Gedächnis mich oft im Stich lässt, kann ich wahrscheinlich auch diesem Traum vergessen.
Während ich so nachdachte, ging ich weiter durch die Straßen, bis mein Blick an einem Gasthaus hängen blieb und mir der Gedanke kam: "Wo soll ich die Nacht verbringen? Alle Gästehäuser müssen überfüllt sein und um draußen zu schlafen ist das Wetter zu unbeständig."
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Argon Goldbart
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Mi März 14, 2018 1:37 pm
Es war einer dieser Tage, an dem Argon es liebte ein Zwerg zu sein, was nicht allzu oft vorkam.
Es war der Tag vor dem Lichtfest, das bedeutete meist, dass ferne Händler, reiche Kaufleute und Adlige zu ihm kamen, was ihm massig Umsatz bescherte. Zusätzlich hatte er gerade eine nicht ganz billige Fuhre von Roheisen erhalten, welche aber einer seiner Mitarbeiter durch geschicktes verhandeln zu einem seiner Meinung nach vernünftigen Preis erkaufen konnte.
Nun stand er vor seinem Kontor in der Sonne und genoss die Morgenluft und sein Morgenbrot an seinem freien Tag, als ihn ein groß gewachsener Mann von der Seite ansprach: "Entschuldigen Sie mein Herr, könnten Sie mir vielleicht sagen, wie ich zum Marktplatz komme?". Argon musterte den Mann von Unten bis Oben. Schlacksige Beine, die einen breit gebauten Oberkörper trugen, auf dem ein Kopf draufsaß, den er nicht anders beschreiben könnte als einen Eimer mit Haaren aus Teer. Die Oberarme des Mannes sahen für den Zwerg aus wie Eichenstämme und seine Hände sahen aus wie schaufeln. Ganz der Zwerg musste er direkt dran denken, was für ein toller Bergarbeiter der Mann sein würde, aber das Verflog bei dem genauen Hinsehen in die Augen de Mannes. So sahen meist seine besten Kunden aus, die lange Erfahrungen im Schwertkampf in der Schlacht hatten. Dieser Mann war ein Krieger, ein eher wohlhabender, was sein Kleidungsstil verriet.
"Kommen Sie mit Sir!" forderte Argon, sein Frühstück in seinen Beutel verstauend und dabei seine Manieren nicht vergessend, den Mann auf "ich komm auf meinem Weg daran vorbei".
Der Mann brummte sein Einverständnis und folgte  ihm. Er machte keine Anstalten sich unterhalten zu wollen. Sein Blick war starr nach vorne gerichtet, als ob er in der Ferne etwas erkennen wollte. Nur ab und zu schaute er zurück, als ob er nach etwas ausschau hielt.
"Merkwürdige Gestalt", dachte sich Argon "Sonst sprachen ihn die Leute immer mit Zwerg oder Halbling an und nie mit `mein Herr`. Er kann also nicht von hier kommen". Während Argon noch darüber nachdachte, was die Absichten des Fremden waren passierte sie ein Gefangenentransport mit einer Frau drinnen. Versteinert saß sie auf dem Boden und schaute mürrisch, aber auch zugleich verängstigt vor sich her. Bei genauerer Betrachtung sah Argon jedoch, dass sie zum Teil wirklich festgefroren war. Ihre Haare bewegten sich nämlich nicht in der lauen Brise des Morgens.
"Scheint als hätte die Königin mal wieder die Aufgabe der Wachen übernommen" versuchte er das Gespräch mit dem Mann aufzunehmen, doch dieser murmelte nur was von Tod und Wachen ersetzen und ging nicht weiter darauf ein.
Als sie dann am Marktplatz ankamen huschte der Mann in die Menschenmenge und verschwand wie ein Schatten. "Beeindruckend, dass ein 1, 98 m Hühne einfach so verschwinden kann" dachte sich Argon und ging weiter. Er wollte noch ein paar Besorgungen machen für ein neues Projekt an dem er arbeitete. Er glaubte nämlich, dass ihn einer seiner Lagerarbeiter betrügt und einen kleinen Teil seiner Waren entwendet. Dabei bezahlte er jeden von ihnen ordentlich. Das redete er sich nicht nur ein, es war tatsächlich so, dass er jeden von ihnen wie  Söhne behandelte.
Während er also seinen Weg voranschritt sah er einige zerlumpte Kinder hinter ein paar Blumenkübeln sitzen. Sich unauffällig umschauend holte Argon sein Frühstück aus dem Tragebeutel und gab es ihnen. Er gab es nicht gerne zu, aber er hatte ein weiches Herz und er konnte nicht mit ansehen, wie Kinder aufgrund der hohen Brotpreise im Reich hungern mussten.
Den Gedanken beiseite schiebend machte er sich weiter auf den Weg. Ihm fiel ein, dass er eigentlich mal schon immer die Baustelle des neuen Bahnhofs erkunden wollte und so lies er von seinem eigentlichen Weg ab und ging in Richtung Bahnhof.
´Ein Wunderwerk der  Aerwetea´schen Baukunst´, wie Befürworter des neuen Bahnhofs meinten. Gegner dagegen betiteln das Gebäude eher als ´Massengrab der Arbeiter´ und ´Schandfleck des Reichs´. Argon dagegen sah in dem Bauwerk eher ein Mittel seinen Umsatz zu erweitern. Schnelleres Transportmittel > mehr Orte besuchbar > mehr Kunden > mehr Umsatz.
Er bemerkte, dass es schon sehr spät Abend geworden war und er fast den kompletten Tag damit verbracht hat mit Arbeiter zu sprechen oder das Gebäude zu bewundern. Er machte sich auf, um in sein ´Alchemielabor´, wie er es nannte, zu gehen. In ihm stieg der Drang hoch doch noch etwas produktives zu tun an seinem freien Tag. Zur Zeit arbeitete er an einer Mischung aus Rizin und Nikotin, welche ihm irgendwann helfen soll mögliche Spione in seinen eigenen Reihen zu ´verhören´.
Weit in der Ferne sah er einen Reiter auf die Stadt zukommen. Von der Silhouette her konnte er bei Vollmond gut erkennen, dass es eine Nonne war. "Hoffentlich machen die Wachen für sie eine Ausnahme, wenn sie noch spät in der Nacht ankam" dachte er sich.

Zurück im Kontor schaute er sich die Bestellungen und Verkäufe an, die an diesem Tag hereingekommen sind. Nichts Besonderes als sonst. Doch die Menge der Bestellungen beunruhigte ihn etwas. Zwar verdient er sein Geld unter anderem mit Waffen, aber er ist trotzdem jemand, der lieber keinen Krieg miterleben will. Insgesamt 1.200 Schwerter, 200 Speere, 3.000 Dolche und 500 Silbersehnenbögen. Ein Waffenequipment für gut und gerne 3.000 Mann. Eine kleine Armee. Dazu noch ein Notizzettel seines Stellvertreters Gillian, dass er 500 vergiftete Dolche und 5 Silbersehnenbögen verkauft hat.
Besorgt machte sich Argon auf den Weg ins Alchemielabor, um an seinem Projekt zu forschen. Zwar ist eine Armee von 3.000 kein Gegner für die königliche Armee, aber in der engen Stadt sind Dolche besser zu verstecken, als ein Schwert. Dazu noch 500 vergiftete am Vortag des Lichtfestes. Ihm kam wieder das Gesicht des Fremden von heute morgen in den Kopf und kam zu dem Schluss, dass etwas großes bevorstand, etwas, dass Auswirkung auf das Ganze Land haben könnte. Er unterbrach seine Arbeit und ging nach draußen, um Luft zu schnappen.

Draußen schien der Vollmond direkt auf seine Tür. Argon betrachtete ihn und begann wieder sein Leben anzuzweifeln. Es lag eine große Veränderung in der Luft und er war ihr hilflos ausgeliefert. Er hasste es.
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El Topé    Empty Arista - Teil 2

Sa Apr 14, 2018 7:42 pm
"Guten Morgen, mein Liebster" sagte Arista in fröhlich verliebter Stimme, als der König dicht gefolgt von seinem Sohn den Raum betraten.
"Guten Morgen, meine liebste Arista" wünschte auch der König von Herzen und fügte hinzu : " Entschuldige bitte, dass wir dich haben so lange warten lassen. Du hättest ruhig ohne uns anfangen können."
Arista schüttelte darauf leicht den Kopf. "Und meine einzige Chance verpassen dich heute noch vor der Rede zu sehen, um dir Glück zu wünschen? Niemals!". Inzwischen hatten sowohl der König, als auch sein inzwischen leicht an genervter Sohn Platz genommen und das Frühstück wurde von Bediensteten hereingetragen.
" Eine sehr nette Geste, was sollte ich auch anders von einer so gutmütigen und bezaubernden Frau erwarten." erwiderte der König. Lucis stöhnte auf, offensichtlich an genervt von den Flirtereien. Sein Vater fuhr jedoch unbeirrt fort:" Ich halte diese Rede aber jetzt schon seit vielen Jahren. Es besteht wohl kein Grund zur Sorge".
"Was sollte an so einem wunderbaren Tag auch passieren. Immerhin ist heute nicht nur das Lichtfest, sondern auch der Jahrestag meiner Hochzeit mit dem wundervollsten, aufrichtigsten, zuvorkommensten…". Schlagartig wurde Arista von Prinz Rotzbengel lautstark unterbrochen. "Was an so einem Tag wohl passieren kann ?!? Ich weiß nicht. Zum Beispiel der Tod deines Bruders und seiner gesamten Familie einschließlich des Falls des ganzen Königreichs von Aienart!", schrie Lucis förmlich über den großen Tisch hinweg. "Wie bitte?", fragte Arista irritiert. "LUCIS! Du weißt genau, dass dieses Thema genauso gut bis Morgen hätte warten können. Heute ist DER Festtag. Alle schlechten Nachrichten sind traditionsgemäß erst Morgen zu verkünden", maßregelte der König seinen Sohn und wendete sich dann zu Arista, um sich zu entschuldigen und erkundigen, wie sie mit der Situation zurechtkommt. "Keine Sorge mir geht es den Umständen entsprechend akzeptabel, aber was ist passiert?"
In ruhigem Tonfall fing der König an zu berichten " Den paar hundert Flüchtlingen zufolge, die heute Nacht eingetroffen sind überfielen die Monster, die schon des Öfteren auch an unseren Grenzen für Unruhe sorgten das Königreich und töteten den König, deinen Bruder, sowie die gesamte Königsfamilie und alle, die ihnen in die Quere kamen. Es tut mir furchtbar Leid". Das war der Moment in dem sich seit geraumer Zeit wieder die dunkle Stimme im Kopf von Arista ausbreitete. 'Dein Bruder hat es verdient. Nun bist du die rechtmäßige Königin von Aienart. Königin eines gefallenen Landes'.
" Es muss dir nicht leid tun, immerhin habe ich ja noch dich" erwiderte sie mit hoffnungsvoller Stimme. 'Beeindruckend, wie du deine wahren Gefühle dem König gegenüber versteckst, aber ich spüre deinen Ekel und Abneigung. Eine wahrhaft makellose Lügnerin. Wir sind verheiratet. Wenn er glaubt, dass es eine glückliche Ehe ist, macht das alles einfacher.'
"Wie geht es dem Kind?" wechselte Arista das Thema mit fester, aber wie gewöhnlich fürsorglicher Stimme.
'Du weißt genau wie. Wunderbar. Woran sollte es auch fehlen? Es hat einen liebenden Vater, ein Bett, Essen und ist allgemein absolut verwöhnt, wenn man bedenkt, dass es eines Tages ein Land regieren soll. Wirklich, das einzige was es zu beklagen hat, ist das es seine Mutter vermisst.'
Lucis offensichtlich beleidigt, schnaufte und erwiderte: "Vorzüglich, aber in meinem Alter ist die Bezeichnung als Kind wohl wenig angebracht."
"Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, eine Königin lässt ihr Volk nicht warten" mit diesen Worten verlaß Arista den Raum, um sich für die Inspektion der königlichen Garde umzuziehen.


"James?" fragt Arista ihm zugewandt.
"Ja, eure Majestät" antwortete James nun ihr gegenüberstehend. Der Abstand zwischen den beiden nicht einmal eine Armlänge.
"Ich vermisse sie so sehr" mit diesen Worten fingen an kleine Schneeflocken an auf sie herunterzuschneien und eine einzelne Träne floß ihre Wange hinunter.
James strich ihr sanft die Träne von der Wange und flüsterte "Ich weiß. Einfach weiterlächeln".
Es hörte auf zu schneien.

"Guten Morgen, eure Hoheit. Es ist eine Ehre für uns, dass sie heute hier sind zur Inspektion der königlichen Garde", begrüßte der General (?) gut gelaunt Arista.
"Die Freude ist meinerseits. Wollen wir anfangen? Ich will die Damen und Herren nicht zu lange von Ihren Posten oder ihrer Freizeit auf dem Fest bringen.", erwiderte sie ebenso erfreut.
Die Inspektion an sich verlief wie gewöhnlich. Schlichtweg eine Reihe Soldaten, die salutieren, als die Königin an Ihnen vorbeischreitet.
Das Ende der Inspektion war jedoch mehr als eine Überraschung für Arista. Einer der Soldaten. Ein Jüngling, vermutlich grade erst der Garde beigetreten, erhob seine Stimme, "Eure Majestät, ich, beziehungsweise eigentlich denken alle hier so, möchten unsere Bewunderung darüber ausdrücken, dass ihr eigenhändig ein Attentat auf euer eigenes Leben verhindert habt. Gleichzeitig möchten wir uns dafür entschuldigen, dass die Attentäterin überhaupt soweit in den Palast vorgedrungen sind."
Während anfangs alle Anwesenden sichtlich schockiert waren vom Bruch der Formalitäten des jungen Mannes, war gegen Ende der kurzen Ansprache ein zustimmendes Murmeln zu hören.
"Vielen Dank für ihre Worte, aber wenn jemand Bewunderung verdient hat, dann seit es Ihr, die Frauen und Männer der königlichen Garde. Glücklicherweise sind seine Majestät der König und ich mit unserer Magie gesegnet und damit in der Lage uns selbst zu wehren. Aber Ihr habt schon so viele Attentate auf das Leben des Prinzen aufgehalten. Dafür möchte ich euch danken. Macht euch also heute keine Gedanken, genießt den Tag lieber. Noch ein Attentat, wird es wohl heute nicht geben.", nach diesen Worten, musste sich die Königin bereits verabschieden. Der nächste Termin wartete bereits.


Gefühlt waren bereits Stunden vergangen, vielleicht waren es aber auch nur Minuten. Arista genoß ihre Zeit in einem lokalen Waisenhaus sichtlich. Gemeinsam mit den Kindern des Waisenhaus probte sie zum letzten Mal eine kleine Show ein, die während des Feuerwerks vorgeführt werden sollte. Der Großteil der Kinder würde tanzen, während jene mit magischer Begabung, Arista bei einer Magieshow unterstützen würden.
Arista war grade im Gespräch mit einem kleinen Jungen, beide fröhlich kichernd, als sie von James zur Seite genommen wurde.
"Eure Majestät, eure Anwesenheit wird umgehend im Palast benötigt. Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten." …
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Cassidy
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El Topé    Empty Cassidy

So Apr 15, 2018 5:01 pm
Ich schlenderte langsam die Stände entlang und versuchte alle Eindrücke um mich herum aufzusaugen. Natürlich scheiterte ich jämmerlich daran. Einige -noch nicht einmal die Hälfte- der Stände kannte ich gut, schließlich überquerte ich den Marktplatz mehrmals am Tag. Die hölzernen Schilder, die Anordnung der Waren und die Gesichter und Stimmen der Menschen hinter den Tresen waren eine willkommene Stabilität im Vergleich zu den vielen Fremden die sich dazwischen tummelten. Mein Blick sprang zwischen den Menschen und den Waren, die sie repräsentierten hin und her und es war geradezu anstrengend meinen Kopf unauffällig ruhig zu halten ohne ihn panisch herumzuschwenken. Fast automatisch versuchte ich die Menschen zu kategorisieren, ihnen Berufe zuzuordnen und ihren Reichtum einzuschätzen, doch es gab einfach viel zu viele Dinge, die mich immer wieder von den Gedanken ablenkten, bevor ich sie vollenden konnte. Das einzige Resultat, das ich damit erzielte, waren nervige Kopfschmerzen.
Ich kam an einer Stelle des äußeren Randes zum Stehen und schloss kurz die Augen, um meine Gedanken zu ordnen. „Tomaten! Frische Tomaten!“ Der Marktschreier war viel zu laut, seine Stimme erinnerte mich an einen Handwerker, den ich kannte. Es war jedoch unwahrscheinlich, dass dieser jegliche Fähigkeiten im Verkauf besaß. Die Stimme kam aus dem südlichen Teil des Marktes, doch es war mit Sicherheit nicht der einzige Gemüsestand auf dem großen Platz. Vermutlich wollten sie mit dem furchtbaren Geschrei hervorstechen und das schien auch zu gelingen. Ob auf positive oder negative Art ließ sich diskutieren. Ich tendierte zu letzterem, aber ich hatte sowieso nicht vor dort meine Einkäufe zu erledigen. Es wäre reichlich dumm genau an dem Tag so alltägliche Dinge zu kaufen, an dem alles mindestens das dreifache zu kosten schie- „Diese wunderschönen Ketten finden Sie nur hier und heute!“ Die unangenehm schrille Stimme einer Frau direkt hinter mir, sorgte dafür, dass ich das Gesicht verzog. Schmuckhändler waren üblicherweise ziemlich wohlhabend und ich konnte mich vage daran erinnern die Stimmer schon einmal gehört zu haben, vermutlich sogar mehrfach. Das würde heißen, dass sie hier in der Stadt wohnen würde. Ich konnte sie jedoch nicht zuordnen.

Ich fasste den Entschluss, mich einfach auf das Nächstbeste zu konzentrieren. Ich holte tief Luft und öffnete wieder die Augen. Vor mir befand sich ein Stand, der dem Bau des Bahnhofs gewidmet zu sein schien. Der Bahnhof, ugh. Würde die Hauptstadt dann jeden Tag so voll werden? Bei der Vorstellung wurde mir unwohl. Dann sollte ich in Zukunft wohl besser einen Bogen um den Markplatz machen. Glücklicherweise waren die durchschnittlichen Händler und ihre Kunden in den meisten Fällen sowieso gänzlich uninteressant. Aber vielleicht wäre es ja ganz nützlich sich über das Ausmaß dieser Neuerung zu informieren.
„Entschuldigen Sie“, begann ich höflich. Auch wenn ich den Gedanken an die neue Reisemöglichkeit nicht ausstehen konnte und diese Menschen eindeutig eine Teilschuld daran hatten, bemühte ich mich, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Es war in diesem Moment, dass mir auffiel wie merkwürdig ich ausgesehen haben musste, als ich erfolglos versucht hatte, mit den vielen Eindrücken klar zu kommen.
Ich lächelte unsicher und warf einen Blick zur Seite. Die Juwelierin, die dort ihren Stand hatte, war mir tatsächlich bekannt. Es war eine wohlhabende Frau mit mehr Schmachten als sie ausgeben konnte, doch ihr Name wollte mir einfach nicht einfallen. Ich runzelte kurz verärgert die Stirn, wandte mich dann doch wieder dem braunhaarigen Mann zu, den ich einen Moment zuvor angesprochen hatte.
„Könnten Sie mir ungefähr sagen, wie viele Menschen ihr Projekt transportieren könnte?“, fragte ich ihn interessiert. Seiner Kleidung zufolge war er ein Arbeiter, der ganz sicher nicht aus El Topé kam. Die brillenähnliche Gerätschaft, die er im Gesicht trug, hatte ich noch nie zuvor gesehen und ich widerstand dem Drang, es verwundert zu begutachten. Eines seiner Augen war anders gefärbt als das andere, doch ich wollte mir ersparen, mich mit meinem merkwürdigen Verhalten weiter zu blamieren, und starrte ihn deshalb nicht genauer an. Etwas an ihm war jedoch eindeutig ungewöhnlich.
Aus dem Augenwinkel nahm ich eine hektische Bewegung wahr. Das war doch…? Ja, da fehlten eindeutig viel zu viele Schmuckstücke für die kurze Zeit die ich nicht hingesehen hatte. Ich kannte den Mann, der gerade betont langsam am Stand vorbei gegangen war und er war ganz sicher nicht hier, um Waren zu kaufen.
Ich zögerte einen Moment. Der Gefallen einer einflussreichen Frau war eine Menge wert, nicht wahr? Das war der einzige Gedanke, den ich brauchte, bevor ich mich der Gestalt hinterher an den Menschen vorbeischlängelte. Der laute Aufschrei hinter mir verriet mir, dass die Verkäuferin auch endlich gemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte.

Es dauerte nur wenige Sekunden bis der Mann mit den kinnlangen hellbrauen Haaren auf direktem Weg den Marktplatz verließ und schneller ging. Als er um die nächste Ecke in eine Gasse einbog, war ich mir sicher, dass er getan hatte, was ich vermutete. Mit Sicherheit lief er jetzt schon wesentlich schneller.
Ich begann ebenfalls zu Laufen. Konzentriert erinnerte ich mich an den Verlauf der Straße und schob die Luft hinter meinem Körper nach vorne, wodurch meine Schritte größer und schneller wurden. Er musste meine Schritte gehört haben als ich versehentlich in eine Pfütze trat oder die plötzliche Briese gespürt haben als ich meine Magie angewendet hatte, denn er drehte den Kopf zu mir um und als ich sein Gesicht sah konnte ich mit vollständiger Sicherheit sagen, dass ich ihn richtig erkannt hatte. Die Panik in seinem Gesichtsausdruck sagte mir, dass es andersherum genau so war.
Es dauerte die gesamte Länge der Gasse, aber ich holte ihn ein. Eins meiner Beine hielt einen seiner Füße zurück, während er lief, sodass er stolperte. Um sich abfangen zu können, ließ er das kleine Säckchen in seiner Hand los und ich beugte mich herab um es aufzuheben.
„Pierre,“ sprach ich ihn an als ich aufrecht vor ihm stand und auf ihn herabblickte. Pierre L’echon hatte Diebstahl weder nötig, noch war er besonders gut darin. Er war der Sohn einer Schneiderfamilie, die zwar nicht sonderlich gut verdiente, aber immerhin hatte er eine Garantie für Arbeit. Es war nicht das erste Mal, dass er versuchte etwas zu Stehlen. Er schien einfach Spaß daran zu haben. Also musste er wohl auf die harte Art und Weise lernen.
Während ich darauf wartete, dass er aufstand, inspizierte ich seine Beute. Es war ein einziges Armband aus in Silber gefassten blauen Edelsteinen. Zweifellos war es wunderschön und extrem wertvoll. Nur was würde ich jetzt mit diesem Dieb machen? Pierre war harmlos und jegliche Wachen der Stadt waren diese Woche sowieso hoffnungslos überarbeitet. Generell vermied ich es, die Wachen hinzuzuziehen, wenn es sich vermeiden ließ. Und ich mich nicht gerade bei einem von ihnen einschleimen wollte. Heute wären sie mit Sicherheit weniger erfreut. Bei Gelegenheit würde ich einfach ein wenig herumerzählen, dass er wieder einmal versucht hatte, etwas zu stehlen. Das Urteil seiner Mitbürger wäre sicher Strafe genug.
Meine Gedanken sprangen plötzlich zu Leenas Warnung, doch niemand würde Pierre in eine wichtige Aktion einbeziehen, dafür war er zu unfähig und unerfahren. Es sei denn, wer auch immer dahinter steckte war sehr verzweifelt. Ich verwarf den Gedanken wieder. Er hatte schließlich einfach nur ein Armband gestohlen. Das gab es nicht viele Möglichkeiten. Entweder er wollte es verkaufen oder es an ein Mädchen verschenken.
„Komm schon, Cassidy, ich brauche-“, begann er und ich hob eine Augenbraue, bevor ich ihn unterbrach. Er stand nun vor mir, größer als ich, aber ich hatte in dieser Situation die Oberhand.
„Nein“, erwiderte ich entschlossen, in einem Ton, der keine Widerrede zuließ, „Aber du kannst mir verraten, für wen das Ganze gedacht war.“
Ich blickte ihn erwartungsvoll an, doch er wich meinem Blick aus. Trotz des blaues Stirnbandes fielen ihm die hellbrauen Haare ins Gesicht
„Mirielle Ostrich“, antwortete er leise und musste mich zurückhalten um nicht laut aufzulachen. Natürlich. Dieses Mädchen hatte mehr Verehrer als gut für es waren. Und immerhin bestätigte das meine Theorie, dass kein größeres Motiv hinter dem Diebstahl steckte.
Stattdessen lächelte ich nur amüsiert und wünschte ihm „Na dann noch viel Glück“, bevor ich an ihm vorbeischritt, die Beute fest in der Hand, die möglichst weit von ihm weg war. Er machte jedoch gar keine Anstalten, mir den Beutel wieder abnehmen zu wollen. Es war geradezu langweilig. Aber immerhin hatte ich so mehr Zeit für andere Dinge.
Die Frau, der ich das Armband zurückbrachte, freute sich sehr darüber. Es stellte sich heraus, dass sie die Ehefrau eines Generals war, die mich aus Dankbarkeit für morgen Abend zum Essen einlud. Ich nahm das Angebot dankend an, gutes Essen und Kontakt zu einflussreichen Menschen konnte man schließlich nicht ablehnen.
Ich verließ den Markplatz eilig wieder und fuhr mit meinen Auslieferungen fort. Zwei Wachen am östlichen Stadttor, erhielten ihre Schwerter zurück, deren Klingen geschärft wurden. Leider waren sie ziemlich beschäftigt, sodass ich kaum ein Wort mit ihnen wechseln konnte. Im Osten der Stadt hatten wir sonst nicht viele Kunden, aber ich wollte die relativ weite Strecke möglichst früh erledigen.
Im Zentrum der Stadt gab es einen Adligen, der von mir ein äußerst hübsches Zierschwert erhielt. Ich verstand nicht wirklich, warum man sein Haus mit Waffen dekorierte, die man nicht nutzen wollte und aufgrund der Verarbeitung auch nicht wirklich konnte, aber es gab viele Gedanken der Adligen, die ich nicht verstand.
Es hatte mittlerweile heftiger angefangen zu regnen. Es war zwar nicht kalt, aber ich wünschte ich hätte meinen Schal zur Hand. Mit ihm fühlte ich mich einfach wohler und zu heiß schien es ja heute doch nicht mehr zu werden. Mein schwarzer Zopf war unter meiner Kapuze geschützt, während ich die vielen verschieden Hüte der wohlhabenden Adligen auf dem Vorplatz des Schlosses bewunderte. Die Schmachten, die ich an meinem Tragegurt trug, wurden langsam schwerer als die übrigen Schmiedewerke. Es war noch ein dünner und leichter Rapier, der mir sehr gut gefiel, und ein standardgemäßes Kurzschwert, das viele Ritter trugen, übrig. Es war mittlerweile später Nachmittag geworden.

Als ich das Schloss betrat, dauerte es ein wenig bis ich Sir Ijoshua fand. Ich musste ein wenig herumfragen und schien immer schon weiter zu sein, wenn ich da ankam, wo er zuletzt gesehen wurde. Ich beschwerte mich nicht. Immerhin war meine Kleidung vielleicht wieder trocken, bevor ich das schönste Gebäude der Stadt verließ.
Als ich ihn schließlich erreichte, entschuldigte sich Sir Ijoshua höflich und aufrichtig für die Unannehmlichkeiten. Er war ein freundlicher Mann, der sich trotz dem Stress, unter dem er heute stand, noch kurz mit mir unterhielt. Er erzählte mir von den Plänen für seine spätere Patrouille, einfach nur aus Freundlichkeit und ich prägte sie mir genau ein. Er erklärte sich außerdem bereit, den Rapier für seinen Partner anzunehmen und zu bezahlen, wodurch meine Arbeit für heute praktisch beendet war. Ich war schon dabei, den Raum, in dem ich ihn gefunden hatte zu verlassen, als ich mich beim Gehen noch einmal zu ihm umdrehte, um mich erneut zu bedanken.
Natürlich ging natürlich genau in diesem Moment, in dem ich meinen Blick zu dem sympathischen Ritter gewandt hatte, eine andere Person durch den Gang, den ich betreten wollte. Wir stießen zwar nicht zusammen, aber dennoch war ich überrascht, besonders als ich die Person erkannte.
„Oh, Eure Königliche Hoheit! Bei Thalisse, entschuldigt mich!“ Ich machte einen leicht panischen, peinlich berührten Knicks. Die plötzliche Anwesenheit des gutaussehenden Prinzen brachte mich komplett aus dem Konzept. Obwohl er doch hier wohnte, hatte ich nicht mit ihm gerechnet. Seine sonst so warmen, orange-gelben Augen wirkten abwesend und die Falte auf seiner Stirn verriet mir, dass er nicht gut gelaunt sein konnte. Dennoch stand er gerade und königlich. Obwohl er noch relativ jung war, strahlte er Autorität aus. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er ein guter nächster Herrscher werden würde, falls er denn die Chance dazu bekommen würde. Andererseits gab es auch noch weitere Alternativen. Nur weil der Prinz ein guter Mann war, musste er kein perfekter Herrscher sein. Der Gedanke ging im Wind verloren, als er mich mit seiner angenehmen Stimme ansprach.
„Ah, Cassidy. Mach dir keine Sorgen. Aber ich muss weiter, heute ist viel zu tun.“ Sein charmantes Lächeln brachte mich ein ganz kleines Bisschen zum Schmelzen. Es war schwer, dem Königshaus gegenüber Abneigung zu empfinden, wenn der Prinz so selbstbewusst und zuvorkommend war.
„Natürlich, Eure Königliche Hoheit. Viel Erfolg mit Euren königlichen Pflichten.“ Ich knickste erneut, woraufhin er an mir vorbeiging. Ich starrte ihm einen Moment hinterher. Ich bewunderte den Prinzen sehr. Er konnte tun und lassen was er wollte und jeder Mensch im gesamten Königreich respektierte ihn.
Als ich schließlich in aller Ruhe das Schloss verließ, stand die Sonne bereits sehr tief und strahlte durch die dünnen Wolken hindurch. Es war noch sehr bewölkt, hatte aber glücklicherweise aufgehört zu Regnen. Die Luft roch noch angenehm frisch und wenn es nicht gleich wieder anfangen sollte, war es zumindest trocken für das Feuerwerk.

Ich kehrte kurz nach Hause zurück, wobei ich einen leichten Umweg um den mittlerweile stark überfüllten Marktplatz machte und lagerte dort die Schmachten. Vermutend, dass es heute nicht mehr wärmer werden würde, schlang ich mir meinen geliebten dünnen Schal um den Hals und nahm mir ein großes Stück Brot, das ich in eine meiner Taschen packte. Es war nicht mehr viel Zeit bis zur Rede, doch ich hatte mir schon lange überlegt, von wo ich dieser zuhören wollte.
Nach einem erneuten Umweg um den Marktplatz erreichte ich mein Ziel: eines der Häuser neben dem Schlossplatz. Ich hatte heute wenig Magie verwendet und selbst das war bereits eine Weile her. Ich kletterte auf eine Kiste, die vor dem Haus stand und sprang hoch konzentriert nach oben. Der Wind gab mir den Schwung, den ich für die wenigen Fingerbreiten, die mir fehlten, brauchte, um die Kante des Dachs greifen zu können.
Ich holte tief Luft und versuchte mich hochzuziehen, während ich die Luft unter mir nach oben drückte, doch ich kam nicht hoch genug. Ich holte erneut Luft, schloss kurz die Augen und konzentrierte mich so gut es ging auf die Luft unter mir. Diesmal schaffte ich es, mich hochzuziehen.
Erschöpft und völlig außer Atem machte ich ein paar Momente Pause bevor ich zum Kamin des Hauses krabbelte und mich daran anlehnte. Aber ich hatte es geschafft, von hier aus hatte ich die perfekte Sicht auf die Stelle, an der nach Tradition bald der König stehen müsste.
Ich grinste selbstbewusst, packte mein Brot aus und aß während ich wartete.
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Calluna
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El Topé    Empty Re: El Topé

Di Mai 01, 2018 10:46 pm
Nichts wird mehr so sein wie früher…

Am Morgen wurde Calluna von den Kirchenglocken geweckt, welche jeden Morgen zu Beginn der heiligen Messe geläutet werden. Selbst mit dem Wissen, dass sie so frühzeitig wie möglich zu ihrem Vater sollte, war es mühsam ihre noch vom Schlaf verklebten Augen zu öffnen. Und auch trotz der sündhaft weichen Kissen war ihr Schlaf, wie eigentlich jede Nacht, geplagt von Alpträumen. Mit Mühen setzte sie sich auf und rieb sich den Schlafsand aus den Augen.
Leise packte sie ihr Gepäck und schlich sich aus ihrem Zimmer zurück zum Eingang. Nachdem sie Sasha wortlos die Schmachten für das Zimmer in die Hand gedrückt hatte, verließ sie die Gaststätte und machte sich auf, um das Pferd in einem Stall unterzubringen. Die Luft draußen war überraschenderweise frisch und süß von den vielen Blumen welche die Stadt schmückten.



Der Stall war glücklicherweise nicht weit entfernt von der Kirche. Als Calluna gerade ankam verließen bereits die Ersten die vollendete Messe. Nachdem die Kirche scheinbar leer war, ging bis nach vorne zum Altar, kniete sich vor ihn und begann zu Elysan zu beten.
„Calluna, mio fiore! Da bist du ja endlich!“ unterbrach sie eine Stimme.
„Vater, wie geht es dir?“ Sie rannte in seine offenen Arme. Ihr Vater, Carlos, war mittlerweile einen halben Kopf kleiner als sie.
„Mir geht es gut mein Kind, es ist nur leider noch viel zu tun heute. Aber viel wichtiger ist, wie es dir geht“ fragte Carlos mit einem breiten aber sanftem lächeln, welches seine Falten noch mehr hervorhebte. „Soweit so gut würde ich sagen, im Kloster läuft alles einwandfrei“.
Für einen kurzen Moment herrschte Ruhe zwischen den beiden, bis Carlos ihr die Locken vor ihrem rechten Auge hinter ihr Ohr schob.  „Mit jedem Jahr siehst du deiner Mutter immer ähnlicher. Du hast ohne Zweifel ihr Blut in dir.“  Calluna musste daraufhin die Nase rümpfen. Bis jetzt ist man davon ausgegangen, dass das Blut weitergegeben wird bei der Geburt und Eigenschaften dadurch vererbt werden, aber da muss bestimmt noch mehr hinter stecken. Pflanzen haben ja immerhin auch kein Blut. Vielleicht handelt es sich ja um eine Substanz in dem Körper, sowas wie eine Erbsubstanz. Diese Erbsubstanz ist möglicherweise wie eine Art Buch, die bereits vor der Geburt abgelesen wird, wodurch dann Leben entstehen kann. Vielleicht-
„Calluna, was ist los? Du siehst nachdenklich aus“, fragte ihr Vater mit besorgter Stimme.
„Wie bitte? Nein ich frage mich nur… was für eine Frau meine Mutter wohl war.“ Das war noch nicht einmal gelogen, diese Frage stellte sie sich häufig. Vor allem wenn sie nachts nicht schlafen konnte. Oder wenn sie die Kinder vom Waisenhaus beobachtet. Die kleine Rosie ist doch noch viel zu Jung um ohne Mutter und Vater aufzuwachsen. Ach, wie sehr sie sich wünscht, dass sie bald eine glückliche Familie adoptiert die ihr bieten kann, was sie verdient.  „Deine Mutter… sie war die schönste, stärkste und größte Frau die ich je kennenlernen durfte.“ Erzählte er, während an seiner Mimik bereits zu erkennen war, dass er sie vermutlich gerade vor seinen Augen hat und in Erinnerungen schwelgt. „Es gibt noch viele Geschichten von deiner Mutter, die ich zu erzählen hab, aber leider fehlt uns gerade die Zeit, figlia mia.“ Er führte Calluna ins Nebenzimmer vom Altar und gab ihr die Sachen an, die getragen werden müssen. „Ich brauch deine Hilfe für die Vorbereitung von der traditionellen Lichtmesse heute Abend, kurz vor der Rede unseres Königs. Ich habe dieses Jahr erneut die Ehre König Ambert zu segnen. Du als Nonne und mein eigenes Fleisch und Blut bist mehr als dazu geeignet mir zu assistieren. Du kennst dich doch mit der Königsfamilie aus, oder? Sein Sohn, Prinz Lucien, welcher in hoffentlich erst vielen Jahren den Thron übernehmen wird. Und seine zweite Frau, Königin Arista. Sie ist… naja um ehrlich zu sein, kann ich sie nicht wirklich einschätzen. Aber genug dazu, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“



Der Tag war vollgepackt mit Arbeit und Erledigungen in der Stadt. Viele Gesichter, lauter Menschen die man vermutlich nur zweimal in seinem Leben sehen wird. Einmal erwischte sie sich selbst dabei, wie sie ein Gespräch zwischen einem Mann mit seltsamer Brille und einer Frau mit langen schwarzen Haaren, welche zu einem geflochtenen Zopf zusammen gebunden waren, mithörte. Es redeten über irgendein Projekt, aber mehr hatte sie auch nicht zugehört, denn auf einmal war ein Mann mit kinnlangen hellbrauen Haaren an Calluna vorbeigerannt, was sie aus ihrer Trance brachte und sie an ihre Erledigungen erinnerte.
Auf dem Weg zum Palast, wo die Lichtmesse gehalten wird, ging sie an einem Laden vorbei mit dem Namen „Goldbarts Handelskontor“. Warum auch immer kam ihr der Gedanke, diesen Laden morgen erneut aufzusuchen. Vielleicht findet es sich ja was Interessantes für die Kinder. Oder vielleicht auch was, was ihr bei ihren Forschungen helfen könnte.



Nun stand sie da, vor dem Palast. Es war noch nicht Zeit für die Lichtmesse, weswegen sie die Zeit draußen an der frischen Luft verbringen wollte. Am liebsten würde sie sich den königlichen Garten anschauen gehen, aber das war leider nicht möglich. Zumindest wollte sie vorsichtshalber nichts tun, was sie möglicherweise ihren Kopf kosten könnte. Dennoch, jetzt wo sie nicht im Kloster war, war ihre Chance um ihre Kräfte zu testen. Nur ein kleines bisschen zumindest. Sie hockte sich vor eine kleine Centaurea cyanus, eine Kornblume, die am Wegesrand wuchs. Sie wirkte schwach und kränklich. Calluna konzentrierte sich also und legte ihre Fingerspitzen um den Blütenkorb. Sie spürte, wie Wasser und Mineralien durch die Wurzeln gesaugt wurden. An den Nodien bildeten sich sogar kleine Seitensprosse aus. Die Knospe öffnete sich weiter und kräftig blaue Blüten strahlten ihr entgegen.
Nur leider wünschte sie sich, sie könnte mehr machen. Um sich abzulenken ging sie weiter zum Bergeshang. Von hier oben konnte man auch schon gut auf den Marktplatz schauen und sogar ein bisschen weiter. Zuerst bemerkte sie auf einem Dach eine Person. Die Person kam ihr seltsamerweise bekannt vor. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie einen türkisen Schal ausmachen.  Bestimmt hat sie diese Person bereits gesehen, immerhin trifft man sich immer zweimal im Leben. Wenn man vom Teufel spricht, denn in dem Moment sprach sie eine bekannte Stimme an. „Himmlische Aussicht, nicht wahr?“
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Leyla
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El Topé    Empty Leyla - Teil 2

Do Mai 03, 2018 12:43 am
Selbst für einen professionellen Dieb wie mich gab es Tage, an denen mir die Einbrüche einfach irgendwie nicht richtig gelingen wollten. Entweder war doch noch jemand unerwartet im Haus, das Fenster ließ sich nicht so leicht öffnen wie erwartet oder der entsprechende Gegenstand, welchen man sich zu eigen machen wollte, ließ sich schwerer auffinden als gedacht. Doch dann gab es wiederum Tage wie diesen.
Mit einem breiten Grinsen ließ ich den prachtvoll mit Edelsteinen verzierten Armreif um meinen linken Zeigefinger kreisen, während mein Blick über die in krakeliger Handschrift verfassten Zeilen des Briefes in meiner rechten Hand glitt. Bei dem Inhalt wunderte es mich wenig, dass das Papier offensichtlich in Eile unter die Matratze gestopft worden war.
Ich stopfte das Schriftstück ähnlich unachtsam wieder an seinen alten Platz, sah mich ein letztes Mal nach Wertgegenständen um und machte mich wieder auf den Weg zur Küche, um das Haus durch den Hintereingang zu verlassen. Bereits bei meiner Ankunft hatte ich mich versichert, dass tatsächlich außer mir niemand hier war.
Spontan legte ich noch einen kurzen Stopp in der Speisekammer ein mit der Absicht, mir ein nettes Mittagessen zusammenzusuchen. Schnell wanderten ein Apfel und ein halber Leib Brot in meine Tasche, bevor sich nach kurzem Zögern auch eine teure Flasche Rotwein dazugesellte. Eine Ausbeute wie heute hatte es eigentlich verdient gefeiert zu werden!
Mit nun deutlich schwererem Gepäck auf dem Rücken zog ich mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht und horchte an der Tür nach Draußen. Nichts. Keine Schritte, keine Stimmen, kein gar nichts. Der Garten schien also immer noch verlassen zu sein. Trotzdem machte ich mich vorsichtshalber bereit für einen Sprint und drückte die schwere Holztür auf. Aber meine Sorge war grundlos, da ich mit meiner Aktion einzig ein paar Singvögel aufschreckte.
Trotzdem beeilte ich mich, zwischen den Gemüsebeeten hindurch und über eine kleine Mauer hinweg das Grundstück zu verlassen. Ich landete in einer ebenfalls verlassenen Seitenstraße, welcher ich Richtung Westen folgte, um mich noch weiter vom Marktplatz zu entfernen. Wobei ich heute ohnehin schon bewusst die Häuser als Ziel gewählt hatte, welche möglichst weit weg vom Trubel des Festes gelegen waren.
Es dauerte nicht lange, bis das Stadttor in Sichtweite kam. Schnell suchte ich mir eine dunkle Ecke, um mit den Schatten zu verschmelzen und in Ruhe mein bescheidenes Mahl zu mir zu nehmen. Nebenbei beobachtete ich, wie die letzten Besucher des Festes durch das große Tor geströmt kamen. Es waren nur noch wenige Stunden bis Sonnenuntergang und mit jeder Minute die verstrich schien die allgemeine Vorfreude auf die Rede des Königs und, wahrscheinlich noch viel mehr, auf das Feuerwerk danach zu wachsen. Und leider war ich gegen deren ansteckende Natur nicht so immun, wie es gerne hätte.
Ich seufzte und ging im Kopf noch einmal die Liste an Aufträgen durch, die ich heute hinter mich bringen wollte. In den letzten Stunden hatte ich es ganz gut geschafft, den Haufen an Arbeit abzuarbeiten, welcher sich durch meinen Gefängnisaufenthalt angesammelt hatte. Es fehlten nur noch das Platzieren eines ‚gestohlenen‘ Rings zwischen den Besitztümern eines jungen Dienstmädchen, das es sich irgendwie mit der Ehefrau ihres Arbeitgebers verscherzt hatte, und ein kleines Ausbessern der Buchführungen einer gewissen Lokalität, die mein Auftraggeber nach eigenen Aussagen ‚betrunken und vollkommen neben sich‘ besucht hatte. Nicht, dass ich nachgefragt hatte, aber er hatte anscheinend ein tiefliegendes Bedürfnis sich zu rechtfertigen. Wobei er seine Ausreden lieber seiner Frau vortragen sollte.
Ich fasste allerdings den Entschluss, dass heute kein guter Tag für den zweiten Auftrag war. Viele Gäste in der Stadt würden das Geschäft zu sehr ankurbeln, was einen Einbruch zu einer eher riskanten Aktion machte. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass das Haus des Dienstmädchens fast auf dem Weg zum Marktplatz lag. Um diese Zeit war dort sicher niemand mehr, also konnte ich auch das einfach schnell hinter mich bringen und sollte danach immer noch genug Zeit haben, mir einen guten Platz zum Beobachten des Spektakels zu suchen.
Entschluss gefasst warf ich den letzten Rest meines Apfels einem Hund zu, welcher mich meinem Geschmack nach zu neugierig beäugte. Er ließ sich von der fast aufgegessenen Frucht nur zu gerne ablenken und ich nutzte die Gelegenheit, an ihm vorbeizutreten und in der nächsten Seitengasse zu verschwinden. Mich noch schnell versichernd, dass ich den Ring wirklich dabei hatte, machte ich mich auf die Suche nach der richtigen Adresse.

-

Auch der letzte Einbruch des Tages verlief ohne großartige Zwischenfälle. Abgesehen davon, dass die Eltern des Dienstmädchen einen Hund besaßen und diesen Zuhause gelassen hatten. Zum Glück gehörte er zu der Sorte, die nur Aufmerksamkeit wollten und still wurden, sobald man sie streichelte.
Nicht das ist sonderlich begeistert davon war, dass meine Hände jetzt nach Köter stanken.
Dafür hatten sie mir wenigstens das Einsteigen besonders einfach gemacht, indem jemand vergessen hatte eines der Dachfenster zu verriegeln. So fand ich mich mit noch gut Zeit bis Sonnenuntergang dabei wieder, über die Dächer Richtung Schlossplatz zu klettern. Die Sonne stand bereits tief genug, dass die Schornsteine und Dachschrägen weite Schatten warfen, welche mich vor möglichen schweifenden Blicken schützten.
Das war vielleicht nicht die beste oder gar sicherste Route zu meinem Ziel, aber meiner Meinung nach besser, als sich zwischen den vielen Leuten auf den mittlerweile wirklich überfüllten Straßen hindurchzuquetschen. Wenige Minuten später und einige Sprünge von Dach zu Dach später fand ich mich auf der letzten Häuserreihe vor dem Schlossplatz wieder, wo ich zu meiner Überraschung etwas zu meiner Linken ein Stück mintgrünen Stoffs hinter einem Schornstein hervorwehen sah.
Den Schal kannte ich doch!
Nur um sicherzugehen schlich ich ein bisschen näher ran und versuchte einen Winkel zu finden, welcher mir mehr von der Person zeigte. Doch spätestens als ich die geflochtenen schwarzen Haare und weniger später auch das Gesicht halb von hinten erblickte, war ich mir absolut sicher. Das konnte nur die junge Sweening sein.
Was für ein erfreulicher Zufall.
Mit einem kleinen Satz setzte ich auf das andere Dach über, wobei ich bewusst geräuschvoll landete. Wie erwartet drehte sie sich überrascht um, schien sich aber schnell wieder zu entspannen.
„Oh, Leyla. Ich dachte ich wäre die Einzige hier oben. Was machst du denn hier?“
„Ich hatte keine Lust durch die überfüllten Straßen zu laufen“, gab ich zu und überbrückte die letzten Meter zwischen uns, bevor ich es mir neben ihr auf den Schindel gemütlich machte. Ich ließ meinen Blick kurz über den Platz vor uns schweifen. „Aber schönes Plätzchen hast du hier gefunden!“
„Danke. Von hier sieht man wirklich alles was passiert.“
Sie riss ein Stück von dem Brot ab, welches sie anscheinend bis zu meiner Ankunft gegessen hatte. Sie bot mir das abgetrennte Stück an, doch ich lehnte Kopfschüttelnd ab.
„Ne danke, ich hab schon was gegessen. Aber da fällt mir ein ...“
Ich kramte ein wenig in meiner Tasche, bis sich mein Griff um den Hals der Rotweinflasche schloss. Diese herausziehend überlegte ich mir, wie ich das Gespräch in die Richtung des interessanten Briefes lenken konnte, den ich heute Mittag gefunden hatte. Sicher konnte Cassidy mir etwas Gutes im Tausch anbieten für die Informationen, die ich diesen hatte entnehmen können.
„Willst du vielleicht ein Schlückchen? Auf Kosten der Mathers.“
Ich konnte beinahe sehen, wie sich bei dem Namen die Rädchen in ihrem Kopf zu drehen begannen. Die erste Frau des alten Herrn Mather war vor etwa zwei Jahren verstorben, doch vor wenigen Wochen hatte der reiche Witwer eine junge Frau in einer entfernten Stadt kennengelernt. Diese war gut 20 Jahre jünger als er, doch schien sie das nicht weiter zu beirren. Die Hochzeit fand kurz nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt statt und es dauerte nicht lange, bis die wildesten Gerüchte die Runde machten. Ganz besonders über die Identität und Intentionen der hübschen Braut.
Cassidy zuckte gelassen mit den Schultern und aß das Brot selbst.
„Warum nicht? Ist das das Einzige, um das du die erleichtert hast?“, fragte sie mich mit grinsend gehobener Augenbraue.
Ich tat empört, auch wenn ich mir nicht die nutzlose Mühe machte, überzeugend zu wirken.
„Ich hab nicht gesagt, dass die Flasche gestohlen ist!“
Fügte allerdings nach einer kurzen Pause an:
„Aber es kann gut sein, dass die junge Frau Mather ein paar ihrer Schmuckstücke verlegt hat. Was mich wenig wundert, wenn man bedenkt wie sie mit Briefen umgeht. Ich meine, wer bewahrt seine Briefe bitte unter seiner Matratze auf?“
Mein vielsagender Blick war allen Anschein nach nicht einmal nötig, damit sie verstand, worauf ich anspielte.
„Briefe, hm? Das klingt doch interessant. Ich nehme an, die waren vorher schon alle geöffnet?“
Ich grinste zurück.
„Nicht einmal richtig zusammengefaltet. Beinahe als wollte sie, dass jemand sie liest!“
Der Korken löste sich nach etwas Ziehen mit einem leisen ‚Plopp‘ aus der Flasche und ich roch kurz an dem Wein, bevor ich mir einen Schluck genehmigte. Wusste ich doch, dass er zu den teureren Sorten gehörte!
„Das Zeug ist ja tatsächlich gut!“, kommentierte ich also und reichte die Flasche an meine Gesprächspartnerin. Diese nahm sie an, fragte aber noch: „Was etwas interessantes dabei?“, bevor sie ebenfalls etwas trank.
Sie glaubte doch nicht wirklich, dass ich es ihr so leicht machen würde, oder?
„Ach, so dies und das.“ Sie reichte die Flasche wieder zurück. „Aber ich sollte wohl nicht einfach so über den Inhalt der Briefe anderer Leute reden. Das wären ja schlechte Manieren.“
Ich kannte Cassidy lange genug um zu wissen, dass sie genau wusste, worauf ich hinauswollte.
Sie überlegte kurz, bevor sie erwiderte:
„Das stimmt natürlich. Das wäre ja fast so, als würde Kommandant Zeloon einfach morgen früh mit seiner gesamten Familie das Schloss besuchen, weil der glaubt eine offizielle Einladung erhalten zu haben.“
Wusste ich doch, dass sich der Handeln lohnen würde! Soweit ich mich erinnerte, war das doch ...
"Doch nicht Zeloon, der die Schichten und Routen der Wachen plant! Das wäre wahrlich undenkbar. Da könnte man eher glauben, dass Frau Mather einen schwierigen Bruder hat, welcher dringend eine große Menge Schmachten benötigt."
Ich nahm einen weiteren Schluck von dem Wein.
Wenn das Haus morgen wirklich verlassen war, war das eine sehr gute Gelegenheit, einen Blick auf die Patrouillen der Stadtwache in der nächsten Woche zu werfen. Oder einmal nachzusehen, was man vielleicht noch so Nützliches zwischen seinen Unterlagen finden konnte.
Die Information für gut genug befindend, holte ich weiter aus:
„Oder, dass sie gar plant über alle Berge zu verschwinden, sobald sie genug aus ihrem Herzallerliebsten herausgequetscht hat.“
Sie grinste mich verstehend an.
„Das wäre wirklich tragisch! Kaum vorstellbar. Gut, dass das so wohl kaum passieren wird.“
Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als es auf dem Platz vor uns plötzlich laut wurde. Etwas hatte sich geregt.
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Ruven
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El Topé    Empty Ruvens Unglückstag

Di Mai 22, 2018 12:50 am
Schinken oder Ei? Schinken oder Ei? Schinken ist erfrischend und war mal eines meiner Lieblings-Beläge, aber ein Ei am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Allerdings ist der Morgen schon vorbei. Also doch Schinken. Käse hatte ich aber auch lange nicht mehr. Schinken oder Käse? Hmmmm. Ich hab’s! Käse passt ja zu Schinken! Und da ich meinen Tagesbedarf an Eiweiß nicht vernachlässigen will, nehme ich Ei gleich noch dazu. Wo wir schon mal dabei sind, kann auch noch ein bisschen Honig dazu, um alles abzurunden. Ja.
„Okay Paul, ich weiß es jetzt. Ich nehme ein Käse-Schinken Sandwich mit einem Ei in Scheiben geschnitten, dazu ein feiner Hauch Hon… Hey, wo seid ihr denn hin?! Blödköpfe, jetzt bringen die mir bestimmt wieder ein Krautsalat-Brötchen, obwohl die wissen, dass ich das nicht mag! ‚Oh, du magst keinen Krautsalat? Das tut mir natürlich leid. Ich bin sicher, es macht dir nichts aus, wenn ich dann deins nehme?‘“, murmelte Ruven Paul imitierend in sich hinein. Und jetzt muss ich auch noch ganz alleine an dem Stand die komplette Redearbeit leisten. Unfair! Hoffentlich hat Lesla mehr Erfolg heute.

Ruven stand sich den ganzen Tag die Beine am Stand ab, ohne eine Sitzgelegenheit erhaschen zu können. Es war, wie es auf öffentlichen Veranstaltungen so ist - stinklangweilig. Ruven machte sich, um sich munter zu halten, einen Spaß daraus, den Brieftauben der Post Abführmittel zu geben. Diese hatten ihre Käfige direkt über einen entfernten Stand, den Ruven von seinem Standpunkt aus nicht sehen konnte. Das Wissen, dass dieser Stand einen scheiß Tag hatte, erquickte ihn sehr.
Wenigstens ließ ihn die Freude produktiv werden und er hat schon vielen Interessenten von seiner Arbeit erzählen können: Über die letzten zwei Jahre hinweg hatte er an dem Projekt Eisenbahn gearbeitet. Eine schnelle Verbindung zwischen den wichtigen Städten eröffnete viele neue Möglichkeiten. Bald sind die ersten Bahnhöfe fertiggestellt und der Karriere unseres Erfinders steht nichts mehr im Weg. Im Grunde hatte er schon nichts mehr zu tun, außer Werbung in der Öffentlichkeit zu machen, da nur noch Bauarbeiten vonnöten waren. Insgeheim war die Eisenbahn aber nicht der einzige Grund, weshalb Ruven gerne mit zum Stand kommen wollte.
Als Erfinder der Eisenbahn war er einige Male auf Baustellenbesichtigungen, die im Allgemeinen sehr langweilig waren, da man hauptsächlich nur die Korrektheit der Arbeit der Bauarbeiter kontrolliert hatte. Das wäre ja halb so schlimm gewesen, wenn da nicht diese eine Tür gewesen wäre. Die Tür, die Ruven jedes Mal auf eine andere, nicht vorhersehbare Weise mitten ins Gesicht geschlagen ist. Das, hat sich Ruven gedacht, mussten die Bauarbeiter absichtlich gemacht haben, sie hatten irgendwie eine Abneigung gegen ihn. Gut, bis auf das eine Mal, bei dem er die Glastür einfach nicht gesehen hatte und reingelaufen ist. Die anderen Male aber – ja, da war auch noch das Mal, bei dem Ruven rückwärts lief, um zu verhindern, dass keiner dieser Bauarbeiterschurken ihm etwas stahl. Aber das alles tut nichts zur Sache, denn die Bauarbeiter waren eindeutig schuldig! Jedenfalls hat Ruven aus Rache sich einen Spaß daraus gemacht, Kleinteile zu reklamieren und für den privaten Gebrauch „einzustecken“, die angeblich nicht korrekt zusammengebaut waren. Natürlich war alles korrekt zusammengebaut, aber keiner der Arbeiter hat sich in seiner Position getraut, Ruven zu widersprechen. Nun hatte er einiges an nutzlosem Krimskrams zusammen und plante, ihn heimlich am Stand beim Fest des Lichts zu verkaufen.


Und da kam auch schon seine erste Kundin daher gelaufen. Mintgrüner Schal, Stiefel und Hosenbeine, also weder wohlhabend noch sehr arm. Genau die richtige, um ihr ein bisschen Schrott anzudrehen.
„Entschuldigen Sie?“, erkundigte sie sich, „Könnten Sie mir ungefähr sagen, wie viele Menschen ihr Projekt transportieren könnte?“
„Natürlich könnte ich das“, antwortete Ruven, „ich sehe aber Ihr Lächeln und das sieht nicht nach einem Lächeln aus, das Eisenbahnen mag. Ich würde gar behaupten, das sieht sogar viel mehr nach einem Lächeln aus, das großes Interesse an diesem aviatischen Singleprop-Propellertm hat! Mit diesem aviatischen Singleprop-Propellertm brauchen Sie bald keine Eisenbahn mehr, nein, wer braucht sowas schon, wenn man fliegen kann? Und soll ich Ihnen was sagen: Ein Probeexemplar steht schon jetzt zum Verkauf, na, wie wär’s? Aus eigener Tasche lege ich zum aviatischen Singleprop-Propellertm auch noch diesen mauve-farbenen Flansch dazu. Haben wir einen Deal?“
„Schnabeltier Daily gefällig?“
Vor Ruven stand plötzlich ein Mann im Schnabeltierkostüm, der ihm eine Zeitung andrehen wollte. Von der jungen Dame, die gerade noch begeistert dem Erfinder zugehört hatte, war keine Spur mehr zu sehen. Nicht mal Tschüss hat sie gesagt. Hoffentlich hat sie wenigstens zugehört und überlegt es sich.
„In dieser Ausgabe ist sogar ein gratis Schnabeltier Freundschaftsband für ihre Liebste dabei, mein Herr.“
Gerade kam Lesla offenbar in ihrer Mittagspause auf Ruvens Stand zugelaufen. Ruven wollte auf keinen Fall, dass Lesla ihn mit diesem Schnabeltier-Typie sieht. „Jaja, ich nehme so eine, hier hast du ein paar Münzen, nun geh bitte wieder, ich muss gerade arbeiten.“
„Ach ja; das sah mir gerade aber eher danach aus, als ob du private Geschäfte machen wolltest, anstatt dich um den Stand hier zu kümmern?“
Ruven versteckte den aviatischen Singleprop-Propellertm schnell hinter seinem Mantel und der Schnabeltiermann fuhr fort:
„Ich bin mir sicher, du hast noch kurz Zeit, um die neue Schnabelschmuck-Kollektion anzusehen, jedes Schmuckstück ist aus Original Schnabeltier-Schnabel mit…“
Ruven nahm eine Hand-Voll Schmuck und schmiss ihn so weit weg, wie er konnte. Gleichzeitig rief er laut genug, sodass Lesla ihn hörte: „Und wenn du mich und meine Freunde noch ein Mal beleidigst mit deinen Schnabeltier-anti-Naturzerstörungs Aktionen da, dann gesellt sich zu den Schmuckstücken auch noch dein eigener Schnabel!“
Der Schnabeltiermann ging beleidigt und weinend fort.

„Ruven!“ Lesla umarmte Ruven, während Ruven die Schnabeltier Daily zu dem aviatischen Singleprop-Propellertm in das Versteck hinter seinem Rücken steckte. „Was war denn das gerade?“
„Das war so ein bekloppter Natur-Aktivist, der meine Arbeit sabotieren wollte. Manche Leute gehören einfach in den Kerker geworfen.“
„Komisch, der war bei mir vorher auch und wirkte eigentlich ganz nett.“
„Tja, manche Leute sind halt launisch. Im einen Moment Engel und zwei Sekunden später, wollen sie dir an die Gurgel. Wie war der Tag denn bisher so? Was hast du da eigentlich auf der Schulter?“
„Der Tag ist mäßig, irgendwie haben die Tauben heute eine recht angeregte Verdauung; das was du auf meiner Schulter siehst, ist das sich ergebende Produkt.
Upsi.
„Hm, das ist ja eigenartig. Das Glück insgesamt scheint heute auch nicht auf meiner Seite zu sein.“, sagte Ruven, während er geschickt das Abführmittel zu der Schnabeltier Daily und dem aviatischen Singleprop-Propellertm hinter seinem Mantel zusteckte, damit Lesla nichts davon merkte.
„Weißt du, Ruven, manchmal ist meine Arbeit sehr einsam. Ich meine, ich treffe natürlich viele Menschen, mit denen ich verhandele und rede, aber ich muss immer weiter reisen, nie kann ich irgendwelche Freundschaften finden. Nichts Festes“
Das letzte Wort sagte sie mit so viel Nachdruck, dass Ruven plötzlich ganz nervös wurde. Er wusste nicht, was er sagen sollte und eine peinliche Stille entstand. Wäre Ruven nicht von der Vogelkacke auf Leslas Schulter abgelenkt, wären ihm Leslas wartende Augen aufgefallen. Lesla fuhr schließlich fort:
„Naja, vielleicht habe ich auch nur eine dumme Phase. Vielleicht mache ich mir das alles auch nur vor.“
Ruven fasste sich wieder: „Lesla, ich glaube dir, dass deine Reisen manchmal sehr einsam sind. Sobald ich keine Pflichten mehr hier am Eisenbahn-Projekt habe, will ich mit dir mitkommen, wenn du Lust hast.“
Ein glückerfülltes Lächeln breitet sich auf Leslas Lippen aus. „Das wär so toll!“
„Bis dahin merke, dass du immer auf mich zählen kannst. Wir kennen uns schon länger und haben gefühlt schon so viel erlebt. Weißt du noch, als damals in der Blitzmagierschule ausversehen für ein landesweites Gewitter gesorgt haben? Alles nur, weil wir mit unseren selbsterzeugten Blitzen einen kombinierten starken Blitz erzeugt haben und so ausversehen den Dozent für Wettermagie frittiert haben. Man könnte sagen, es hat zwischen uns gefunkt.“
„Ich erinnere mich! Danke, du bist ein wahrer Freund.“, antwortete Lesla und klopfte ihm dabei auf die Schulter.
Das hatte Ruven nicht erwartet. Die Erschütterung des Klopfens brachte Ruvens Griff in seinem Rückenversteck in Gefahr. Er hantierte unbemerkt mit dem Abführmittel, der Schnabeltier Daily und dem aviatischen Singleprop-Propellertm hinter seinem Rücken herum, wobei sich dabei leider das Schnabeltier-Freundschaftsarmband löste und auf den Boden fiel.
„Oh, Ruven, ist das… ist das für mich?“, fragte Lesla voller Bewunderung.
„Ähm, ja. Klar. Das wollte ich dir gerade geben.“ Er hob das Armband vom Boden auf und überreichte es Lesla. „Hier. Lass dies einen Beweis unserer Liiiiie…   blichen Freundschaft sein, bis wir in ein paar Monaten zusammen reisen können.“
„Das ist soo süß von dir! Danke! Ich werde es gleich anziehen. Warte mal… Entschuldigung, was wollen Sie eigentlich hier?“

Ab diesem Moment verlief alles sehr schnell. Hinter Ruven stand plötzlich ein großer, muskulöser Mann im Schnabeltierkostüm, anscheinend der Vater von dem vorherigen Schnabeltiermann. Mit den Worten „Keiner demütigt meine Brut!“ verpasste ihm der muskulöse Schnabeltiermann eins ins Gesicht. Ruven fiel hin und ließ dabei sein wohlverstecktes Abführmittel, die Schnabeltier Daily und den aviatischen Singleprop-Propellertm  fallen. Lesla brauchte nur eine Sekunde, um zu kombinieren, dass das Armband ein willkürliches aus der Schnabeltier Daily war und sie konnte vermuten, was es mit dem Abführmittel auf sich hatte. So hatte Ruven innerhalb von fünf Sekunden zwei Schläge ins Gesicht bekommen; um es kurz zu fassen:

Er wurde ohnmächtig.
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Tom Mine
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El Topé    Empty Re: El Topé

Mi Mai 23, 2018 1:27 pm
"Haben Sie noch ein freies Bett?"
"Leider nein. Sämtliche Zimmer wurden bereits vor Wochen reserviert."
"Können Sie mir sagen, wo ich vielleicht noch eines bekommen kann?"
"Auch da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Selbst die Gasthäuser außerhalb der Stadt sind meines Wissens nach ausgebucht."
So oder so ähnlich fiel die Reaktion in jedem Gasthaus aus. Warum musste ich auch ausgerechnet zu einem großen Fest in die Stadt kommen. Vermutlich blieb mir wirklich nichts anderes übrig als die nächste Nacht im Freien zu verbringen, in der Hoffnung nicht krank oder ausgeraubt zu werden. Zum Glück gab es bei mir aber auch nicht viel zu holen.
Ich beschloss das Beste aus dem verbleibenden Tag zu machen und schlenderte im gemächlichen Gang der Massen durch die Gassen entlang der Stadtmauer und bog schließlich ab zum Marktplatz.

Noch bevor ich dort ankam, hörte ich ein Gespräch zweiter Männer mit, die ein paar Meter vor mir standen. Es ging scheinbar um die Monster.
"... werden immer aggressiver und setzen unsere Grenzposten immer stärker unter Druck. Angeblich kommen sie immer Nachts und fangen an leise Geräusche zu machen, die man kaum wahrnimmt, die aber trotzdem schon angsteinflößend sind. Dann werden sie nach und nach lauter, bis es sich zu einem entsetzlichen Lärm gesteigert hat und letztlich, wenn du schon fast weglaufen willst, greifen sie an."
"Bist du dir sicher, dass es so schlimm geworden ist? Wir konnten uns doch auch früher verteidigen."
"Manche Leute behaupten sie planen einen Angriff und testen bisher nur unsere Verteidigung."
"Das ist doch Unsinn. Es sind wilde Tiere, die nur ihren Instinkten gehorchen. Wie sollen die etwas planen können?"
"Ich weiß es nicht. Ich sage ja auch nur das was man so mitbekommt. Zumindest bin ich froh hier zu leben und nicht außerhalb der Grenze."
Mittlerweile war ich nah genug gekommen um mich dem Gespräch anschließen zu können.
"Für mich klingt das alles nach einer Schreckgeschichte. Ich selbst bin weitgehend ungeschützt im Dorf Bracktal, außerhalb von Aerwetea aufgewachsen. Wir hatten nie Probleme mit den Monstern gehabt. Sie machen zwar leise Geräusche und sehen etwas gruselig aus, aber sie haben uns nie angegriffen."
"Dann hast du sie also schonmal gesehen?"
"Ja. Mehrmals sogar. Sie haben ein größtenteils Schwarzes Fell mit Ausnahme einiger weißer Stellen. Bei manchen sehen diese Stellen aus wie Rippen, bei anderen eher wie Panzerplatten und bei wieder anderen wie Messerschnitte. Einmal konnte ich einem sogar aus gut 100 Fuß Entfernung in seine flammend roten Augen sehen. Ich muss zugeben, es war schwierig dabei nicht in Angst zu verfallen, aber gleichzeitig war es auch sehr faszinierend."
"Und er hat wirklich nicht angegriffen? Es heißt sie legen normalerweise ganze Dörfer in Schutt und Asche und gehen besonders unbarmherzig gegen die flüchtende Bevölkerung vor."
"Hmmm... Vielleicht gab es bei uns im Dorf einfach nicht genug zu holen. Wir leben dort sehr ärmlich, müsst ihr wissen."
"Aber das passt nicht dazu, dass sie nie Wertgegenstände mitnehmen."

Das Gespräch ging noch einige Minuten weiter. Es fühlte sich gut an Anerkennung dafür zu bekommen, dass ich Monster gesehen habe, auch wenn es für mich keine sonderlich große Leistung darstellte. Einer der Männer witzelte ich könne ja zum Militär gehen, wenn ich so immun gegen die Monster bin - vielleicht garkeine so schlechte Idee.
Eine weitere interessante Anekdote war, dass eine taube Frau einen Angriff im Schlaf überlebt haben soll. Was später aus ihr geworden ist, konnte mir aber keiner sagen. Es muss schwer gewesen sein aufzuwachen und festzustellen, dass Familie und Freunde umgebracht worden sind.

Um meine Gedanken nach diesem Gespräch wieder auf positive Dinge zu lenken schaute ich mich weiter um.
Dabei fiel mir eine kostümierte Person ins Auge - trotz des zügigen Gangs ein beruhigender Anblick, zumindest bis sie vor einem Standbesitzer anhielt, der einen halben Kopf größer war und ihm ohne große Vorwarnung ins Gesicht schlug. "Das mit den positiven Dingen fängt ja schonmal gut an", murmelte ich leise.
Als ich wegschaute, hatte ich kurz den Eindruck, dass jemand über mir von einem Dach, über die Straße hinweg zum nächsten Dach gesprungen sei. So lebensmüde und dumm, konnte doch noch nicht einmal ein pubertierender Junge sein. Ich redete mir einfach ein, dass es sich um einen Vogel gehandelt haben muss, auch wenn die Form nicht gerade dafür sprach. Andererseits war es auch nur ein flüchtiger Anblick.
Die vielen Eindrücke in so kurzer Zeit fingen so langsam aber sicher an mich zu überfordern. Vorerst musste ich raus aus all dem Trubel. Die königliche Rede hin oder her.
In der Nähe sah ich eine Art Schmiede, dessen Name 'Goldbarts Handelskontor' aber eher auf einen Laden für Dies und Das schließen ließ. Zumindest wirkte er weniger überfüllt als die Straße und so beschloss ich dort hineinzugehen.
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Argon Goldbart
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El Topé    Empty Argon Goldbart Part II

So Jun 10, 2018 3:11 pm
Es war ein schöner, sonniger Tag. Argon saß auf seinem Lieblingsplatz vor seinem Kontor und beobachtete die Leute. Von allen Teilen des Landes strömten im wahrsten Sinne des Wortes die unterschiedlichsten Vögel und Schnabeltiere. Er schüttelte den Kopf. Wie kann man sich nur als Schnabeltier verkleiden? Ihm war das völlig absurd, doch mit diesem Gedanken erhob er sich seufzend von der Bank und ging in den Laden.
An diesem Morgen hatte er noch viel zu tun. Vorbereiten des Ladens, Positionieren einiger schöner Ausstellungsstücke, und noch vieles mehr, was etwas Zeit beanspruchte. Meistens war es ja immer so, dass morgens die ganzen Touristen in seinen Laden kamen, um etwas kleines oder manchmal etwas größeres zu besorgen und abends dann die adligen kamen, um sich die alljährliche Spezialkollektion anzusehen. Feinste Schwerter und Rüstungen, Mäntel und Sättel. Dieses Jahr, so fand Argon, haben sich seine Schwertschmiede selbst übertroffen. Sie haben es geschafft Metall und Gold so zu vermischen, dass es aussah, als ob die Klinge des Schwerts aus einem kräftigen Regenbogen bestünde. Das brachte ihn auf eine Idee.
„Gillian, komm mal her!“ rief er.
„Ja Chef?“
„Leg mir dieses Schwert zur Seite. Es soll ein Geschenk für den König werden. Ich möchte es ihm feierlich nach seiner Rede überreichen.“ Mit einer Handbewegung deutete er auf das Regenbogenschwert. „Lass außerdem auf die Klinge den Namen des Schwertes einritzen!“ Der Name des Schwertes war Träne des Lichts.
Nachdem Gillian gegangen war, machte er sich auf den Weg zum Markt. Er war in Eile, da ihn ein Händler vom Dunkelwald erwartete. Bei diesem hatte Argon Stahlholz bestellt, eine Holzart, welche man mit Stahl verschmelzen konnte, sofern der Schmied ein Eisenzauberer war. Dabei behielt es die Leichtigkeit des Holzes, aber hatte die Härte von einer 4 cm Stahlschicht. Unterwegs passierte er grüßend eine Grünling Nonne, welche sich, von ihrem Blick zu schließen, augenscheinlich gerade auf dem Mond befand, oder auf Drogen. Argon vermutete ersteres, obwohl zweiteres ihn auch nicht verwundert hätte. Schließlich sind Pilze auch Naturgewächse.
Am Markt angekommen musste er erstmal wütend feststellen, dass sein Vertragspartner nicht pünktlich war. Er hasste Unpünktlichkeit. Kurz danach kam ein schlanker Mann mit Nadelgrünem Umhang auf ihn zu, verbeugte sich und begann direkt mit einem Sprachfluss:
„Argon, du halber Baumstumpf, fett bist du geworden und schöner wirst du wohl auch nicht mehr. Seit wann haben wir uns nicht mehr gesehen? Seit dem Ausflug in der Schule nicht wahr? Oh Mann, du bist ja richtig alt geworden. …“ Argon ließ den Redeschwall über sich ergehen. Zwar mochte er den Elf vor sich nicht besonders, aber er war ein guter Handelspartner, der nach einigen Jahren der vermittelnden Verhandlungen nun mal persönlich vorbeikommen wollte und da Argon ein höflicher Mensch ist, hat er dem zugestimmt.
„Bardur, BARDUR!“ startete er seinen Satz. „Es ist nett dich auch mal zu treffen und über alte Zeiten zu reden, aber wir sollten zum Geschäftlichen kommen. Zeit ist Geld.“
„Richtig, also wegen den Hölzern muss ich dir sagen, dass ich eine Ladung von 2 Schiffen an den Docks habe, wenn du die haben willst.“
„ Natürlich. Der Preis bleibt?“
„ 20.000 Schmachten wie ausgemacht.“
Argon holte einen Geldbeutel aus seiner Tasche und übergab ihn dem Elfen. Als dieser nachgezählt hatte verabschiedete sich Argon und ging zum Pier. Dort in der prallen Mittagssonne angekommen gab er Anweisungen das Holz zu seinem Kontor zu transportieren. Anschließend besuchte er noch den Kräuterstand auf dem Marktplatz. Kann ja sein, dass die dort einige interessante Mittel haben, welche auch eine andere Wirkung haben. Er war nämlich dabei ein Wahrheitsserum zu erfinden, hat anstatt dessen aber ein Halluzinogen erschaffen. Vielleicht auch eine gute Möglichkeit Geld zu machen, dachte er sich, nachdem er an dem Kräuterstand angekommen war und begutachtete die Waren. Nach einiger Zeit bekam er mit, dass etwas weiter entfernt eine Auseinandersetzung stattfand, doch Prügeleien interessierten ihn nicht. Er kaufte einige Kräuter ein und machte sich auf den Weg nach draußen. Im Kontor angekommen ließ er einen seiner Mitarbeiter wissen, dass dieser sich darum kümmern sollte das Stahlholz zum Schmied zu bringen damit dieser daraus Rüstungen im Holzstil schmieden konnte. Anschließend ließ er sich im Verkaufsraum blicken, um seine anderen Arbeiter, die heute sowieso schon unterbesetzt waren zu unterstützen. Doch anscheinend hatten seine Mitarbeiter die Situation unter Kontrolle, was vielleicht daran liegen könnte, dass noch sehr wenige Kunden da waren. Trotzdem half er hier und da mit ein paar Kunden, oder spielte die Rolle des Beraters für Kunden, die sich nicht entscheiden konnten. Gerade, als er sich in sein Büro zurückziehen wollte kam Erik, welchen er zum Schmied geschickt hatte, mit der Nachricht, dass der Schmied, welcher Eisenzauberkräfte besessen hatte, vor kurzem verstorben sei.
„Oh, nein!“ rief Argon betroffen „Wie geht es seiner Frau?“
„Sie ist noch nicht über die Trauer hinweg und hat keine Ahnung, wer das Geschäft jetzt leiten soll“ antwortete Erik „Wie machen wir das jetzt Chef? Wir haben Stahlholz und keinen Schmied, der das bearbeiten kann. Verkaufen können wir das auch nicht so einfach, da sich schnell herumsprechen wird, dass es keinen Schmiedmagier hier in der Stadt gibt.“
„Das ist natürlich eine sehr verzwickte Lage. Lager das Holz erst einmal ein. Wir kümmern uns nach dem Fest darum.“
Er setzte sich an seinen Tisch und Erik ging aus dem Büro. Grübelnd nahm er seine Reagenzgläser aus seinem Schreibtischschrank und begann seine Kräuter zu bearbeiten, als jemand schwungvoll die Tür öffnete. Diese Person, welche schlank dennoch kräftig gebaut und mit einem Bart ausgestattet war blieb nun in der Tür stehen und schaute sich im Raum um. Vom Plötzlichen öffnen der Tür erschreckt musste erst einmal den Schreck verarbeiten.
„Ähm? Entschuldigung? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“
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Anonymer Spieler
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El Topé    Empty El Topé

Fr Jun 15, 2018 7:18 pm
Nach dem Frühstück mit seiner geliebten Familie verbrachte König Ambert Lucien der III. von Ærwe den Rest des Vormittags wie bei jedem anderen Fest des Lichts auch.
Zwar war es ein Feiertag, aber als König konnte er sich nicht einfach frei nehmen. Berichte über das Geschehen in der Stadt gab es trotzdem ohne Ende, aber zum Glück keine weitere sehr schlimme Nachricht. Es sah aus, als könnte das Finden einer Lösung des Monsterproblems bis zum nächsten Tag warten.
Sobald es Zeit für das Mittagessen mit seinem Sohn Lucien wurde, machte der König sich auf den Weg zurück in die königlichen Gemächer. Dabei nahm er bewusst den Weg durch einen eher vollen Gang, da er es mochte seine geschäftigen Untertanen mit ihrer Vorfreude auf das Fest zu sehen.
Er sah eine junge Magd vorbeieilen, welche ein Tablett mit Süßspeisen trug. Als sie ihn erkannte erschrak sie sich und verbeugte sich hastig, wobei ein kleiner Kuchen herunterfiel. Der König fing diesen geschickt. Die Magd lief rot an als sie ihr Missgeschick bemerkte, doch der König aß das Gebäck mit zwei schnellen Bissen auf und hielt vertraulich einen Finger vor die Lippen. Die Magd nickte dankbar und verbeugte sich wieder, dieses Mal vorsichtiger. Dann machte sie sich wieder auf den Weg.
Die Königliche Leibgarde sah nicht besonders begeistert von dem Verhalten des Königs aus, ließ ihn aber gewähren. Auch auf dem Rest des Weges wurde er immer wieder von Leuten aufgehalten. Alle hielten bei ihrem Vorbereitungen inne, um ihn angemessen zu begrüßen. Nicht immer mit erfreulichen Folgen. Ein junger Mann, welcher gerade dabei war ein Gerüst aufzubauen, ließ sich vom König ablenken. Diese konnte nicht ganz erkennen was passierte, aber kurz darauf fiel eine Holzplatte herab, welche den König knapp verfehlte. Die Panik stand dem jungen Mann ins Gesicht geschrieben. Die Leibgarde wollte gerade einschreiten, doch König Ambert hielt sie davon ab. Wenn das wirklich ein geplanter Angriff auf seine Person gewesen sein sollte, dann war es ziemlich schlechter.


Prinz Lucien der IV. von Ærwe war erleichtert als er sah, dass die erste Hälfte des Tages sich dem Ende neigte. Nach dem Frühstück mit seinem Vater und seiner Stiefmutter war er seinen hoheitlichen Pflichten nachgegangen und hatte wichtige Gäste begrüßt, Dinge organisiert oder einfach Präsenz gezeigt.
Dabei musste er die ganze Zeit eine neutrale freundliche Miene aufsetzen, die einem Prinzen von Ærwe würdig war. Auch wenn es nicht sein erstes Fest des Lichts war, war es ermüdend.
Deshalb freute er sich auf das Mittagessen mit seinem Vater. Die Königin war wo anders beschäftigt, also war es eines der seltenen Essen wo nur sie beide anwesend waren. So wie es seiner Meinung nach immer sein sollte.
Er erreichte den Speisesaal etwas zu früh und wartete ein paar Minuten geduldig. Als König war sein Vater noch beschäftigter als er. Da konnte es passieren, dass er zu spät zum Essen kam.
Doch als er dann endlich auftauchte stellte Lucien besorgt fest, wie müde der König aussah. Er musterte ihn genauer und erkannte etwas Rotes an seinem linkten Unterarm. War das etwa Blut?
„Was ist mit deinem Arm passiert?“ fragte er überrascht.
Der König bemerkte erst jetzt seine Verletzung und schob seinen Ärmel hoch, was einen kleinen Schnitt freilegte. Der Prinz stellte erleichtert fest, dass die Wunde nicht sehr bedrohlich aussah und das ganze Blut bereits getrocknet war.
„Auf dem Weg hierher gab es einen Unfall mit einem Gerüst, aber das ist kaum der Rede wert.“ antwortete der König und setzte sich an den Tisch. Lucien tat es ihm nach. Er machte sich immer noch Sorgen, kannte aber seinen Vater gut genug um zu wissen, dass er ihm nicht mehr sagen würde.
Stattdessen aßen sie eine Weile im Stillen, bis der König fragte: „Freust du dich schon auf das Fest?“ Lucien nickte. „Es freut mich immer zu sehen, wie glücklich alle an diesem Tag sind.“ „Wer weiß, vielleicht hältst du bald selbst die Rede.“
Lucien sah überrascht aus. „Was meinst du damit?“ Der König lächelte sanft. „Ich bin auch nicht mehr der Jüngste. Wie du weißt, starben meine Eltern früh. In deinem Alter war ich bereits vier Jahre König.“
„Aber auch nur weil es keinen besseren Nachfolger gab. Bei mir ist das anders. Ich habe keine Magie.“ antwortete der Prinz niedergeschlagen.
„Das sehe ich anders. Was ein König braucht ist vor allem ein gutes Herz. Und deshalb kenne ich keine Person, der ich lieber diese Krone vererben würde.“
Lucien lächelte dankbar. „Aber bitte lass dir damit noch etwas Zeit.“ „Ich versuche mein Bestes“ antwortete der König und aß weiter.
Eine Weile sagte keiner etwas, doch dann bekam der König langsam Kopfschmerzen. Auch der Prinz bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Sein Vater sah ungewöhnlich blass aus.
„Alles in Ordnung?“ fragte er besorgt. Der König nickte. „Ich bin mir sicher, dass es nur an dem vielen Stress liegt. Es geht bestimmt gleich wieder.“
Lucien war sich da nicht so sicher. „Vielleicht solltest du dich kurz hinlegen. Bis zur Rede ist noch ein bisschen Zeit.“ „Das ist wohl eine gute Idee.“ stimmte König Ambert zu.
Sie waren mittlerweile beim Nachtisch angekommen und dieser war schnell aufgesessen.
Die Kopfschmerzen wurde schlimmer und der König beschloss wirklich etwas Pause zu machen. Er verabschiedete sich von seinem Sohn, wobei er dessen besorgten Blick bemerkte.
Sein persönliches Gemach war nicht weit vom Speisesaal entfernt und so dauerte es nicht lange, bis er sein Schlafzimmer erreichte. Er fühlte sich unheimlich müde. Also legte er sich ins Bett mit der Gewissheit, dass ihn irgendjemand rechtzeitig wecken würde. Man würde es nicht zulassen, dass der König seine eigene Rede verschlief. Und so dachte er mit Vorfreude an die glücklichen Gesichter seiner Bürger, als er seine Augen zum letzten Mal in seinem Leben schloss.


Es war bereits später Nachmittag, als Prinz Lucien es nicht mehr aushielt. Er hatte sich seit dem Essen Sorgen um seinen Vater gemacht und dass er die ganze Zeit nichts mehr von ihm gehört hatte, machte es nicht besser.
Also ging er zu den Gemächern des Königs. Gerade als er die Tür erreichte, wurde diese von innen geöffnet und ein bleicher Diener kam heraus. Er erschrak, als er den Prinzen sah. Er starrte ihn eine Weile unsicher an, bevor er fast schluchzend sagte: „Mein aufrichtiges Beileid.“ Dann lief er davon.
Verwirrt und noch besorgter öffnete Lucien die Tür selbst und trat ein. Er hörte gerade noch, wie der Schlossarzt sagte: „Ich vermute es war eine Art Gift.“
Es wurde still im Raum als die Anwesenheit des Prinzen bemerkt wurde. Doch dieser konnte selbst nur gebannt zum Bett starren. Auf diesem lag die selig lächelnde Leiche seines Vaters. König Ambert Lucien der III. von Ærwe war tot.
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Arista
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El Topé    Empty Arista - Teil 3

Do Jun 28, 2018 9:17 pm
Tausende Gefühle durchströmten Arista gleichzeitig. Sie liebte den König nicht, aber selbst sie konnte nicht abstreiten das er seinem Land ein fantastischer König war und seinem Sohn ein liebender Vater. So hatte sie auch zu, ersten Mal tatsächlich für einen Moment Mitgefühl für den Prinzen, der nachdem er von dem Tod seines Vaters erfuhr, zusammenfiel und mit tränenden Augen schrie. Niemanden würde es so hart treffen wie ihn.
Der König, sein geliebter Vater, weilte nicht mehr unter seinen Untertanen. Der Tod des Königs mag zu ihren Gunsten sein, trotzdem hoffte sie, dass er an einem besseren Ort war und nicht etwa durchs Karmantor geschritten.

Jetzt war jedoch keine Zeit, solchen Gedanken nachzuhängen oder gar zu trauern, wenn sie einen Gewinn aus der Situation machen wollte. Ein toter König und ein nicht zurechnungsfähiger Prinz: Das war ihre Chance.

"Wie konnte es dazu kommen? Er wird rund um die Uhr bewacht." fragte sie entsetzt in den Raum. Im Raum waren etwa eindutzend Leute. All diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt vom Tod des Königs wussten. Nach langem Schweigen antwortete der Kammerdiener des Königs: "Eure Hoheit, die Ärzte vermuten das es Gift war. Wir können zu diesem Zeitpunkt, aber noch nichts bestätigen."
"Gibt es mögliche Verdächtige? Wer brachte ihm sein Essen? Wer bereitete es zu? Setzt alle die in den letzten 48 Stunden auch nur in seine Nähe gekommen sind unter Beobachtung.", befohl Arista.
"Es wird umgehend in die Wege geleitet. Aber was plant ihr wegen des Festes zu tun? Der König wird bereits in kurzer Zeit zu seiner alljährlichen Rede erwartet.". Die Frage kam von einem Berater des Königs.
"Der König hätte seinen Untertanen diese letzten Stunden des Festes niemals nehmen wollen, also werden wir, wie es sein Wunsch gewesen wäre, das Volk erst morgen über seinen Tod informieren. Ich erwarte also von Ihnen, dass bis morgen früh, wenn ich wenn ich den Tod meines Ehemanns verkünde, niemand außerhalb dieses Personenkreises davon erfährt. Und wen ich niemand sage, dann meine ich absolut niemanden. Keinem Mann auf der Suche nach Arbeit, keinem Zwerg der ein Waffengeschäft führt, keinem schnabeltier-fanatischem Erfinder, keinem Gefangenen, der gerade entflohen ist und und insbesondere keinem Mädchen das auf der Straße rumläuft und sich selbst für das größte Geheimnis-Lexikon der Stadt hält. Ich erwähnt absolut niemandem gegenüber etwas. Selbst wenn ihr eine Nonne in einem Bordell finden solltet, sagt ihr garnichts. Haben Sie mich verstanden?"
Ein einheitliches " Ja, eure Hoheit" ging durch die Gruppe, mit Ausnahme des Prinzen, der inzwischen fast regungslos in einer Ecke des Raums auf einem Stuhl saß.
"Das gilt insbesondere für dich Lucis. Es ist für uns alle eine schwere Zeit, aber gönnen wir dem Volk noch diese letzten Stunden Freude, bevor ich morgen den Tod meiner ganzen Familie verkünden darf."
Lucis reagierte wieder nicht.

"Wenn sich mich jetzt entschuldigen meine Herren, da der Prinz offensichtlich nicht in der Lage ist jetzt öffentlich aufzutreten, muss ich eine Rede vorbereiten. Ich erwarte sie alle wieder in einer Stunde hier und bitte rufen sie auch die restlichen Berater zusammen. Es wird eine lange Nacht."
Nun zeigte Lucis eine Reaktion. Er sprang auf und protestierte: "Du hältst die Rede? Mein Vater ist tot. Das macht mich zum König. Ich werde diese Rede halten."
Arista sah ihn fassungslos. "Du willst die Rede halten? Du ziterst am ganzen Körper und deine Augen sind rot angeschwollen. Wenn du so auf die Bühne gehst, können wir auch gleich verkünden, dass der König tot ist. Und glaub ja nicht, das du mir irgendetwas befehlen kannst. Noch bist du nicht gekrönt und in diesem Land steht eine Königin über einem Prinzen.
Sie es als Geschenk diese Rede nicht halten zu müssen. So bekommt wenigstens einer von uns Zeit zu trauern und ich bin mir sicher eine deiner Liebschaften tröstet dich liebend gerne".

-------Kurze Zeit später vor dem Schloss---------

Arista betritt die Bühne für die Rede und natürlich geht ein murmeln durch die Menge, hatten sie doch alle den König erwartet und nicht sie.
Ungeirrt davon fing Arista jedoch zu sprechen an: " Ich freue mich an diesem wunderschönen Abend zu euch sprechen zu können. Mir ist bewusst, dass ihr euch sicherlich alle fragt, wo mein Gemahl, unser geliebter König ist. Es besteht kein Grund zur Sorge, er hat sich nur eine leichte Erkrankung zugezogen und hält auf Wunsch der Ärzte etwas Bettruhe. An seiner Stelle, möchte ich seine Worte an euch richten."
In Wirklichkeit hatte Arista natürlich keine Ahnung, was der König seinem Volk sagen wollte, jedoch hatte sie genug seiner Reden gehört, um zumindest den Anschein zu erwecken.
Sie beendete die Rede und die Anwesenden applaudierten. Trotzdem war das Einzige, was Arista hörte wieder eine dunkle Stimme. 'Eine Rede ohne Fehler, mindestens genauso gut, wie die die auch der König gehalten hätte und trotzdem wird der ohne Frage große Applaus nie so sein, wie es beim König der Fall gewesen wäre. Sie mögen dich akzeptieren, aber so niemals als wahre Königin verehren.'

--- Kurz darauf wieder im Schloss----

"Also Gentleman. Bis der Prinz in Kürze zu uns stößt, würde ich gerne ein  paar wichtige Themen mit Ihnen besprochen haben."
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Cassidy
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Sa Jun 30, 2018 3:49 pm
Die Überbleibsel der Regenwolken woben ein chaotisches Netz aus goldenen Fäden am Himmel. Die Stadt erstrahlte im warmen Licht der Abendsonne, die ungehindert am Horizont stand als hätte sich der Regen nie über die Stadtgrenzen hinaus ausgebreitet. Die Menschen am Fuße des majestätischen Gebäudes standen dicht an dicht und an einigen Stellen, an denen sich die Masse bewegte, wurde vor Vorfreude gedrängelt. Eine Einheit von gemeinsamer Energie, wie die Hauptstadt sie nur selten sah. Elfen neben Menschen, Zwergen neben Kindern auf den Schultern ihrer Freunde. Einzelne Melodien am Rande, die verdächtig nach der Hymne des Königreichs klangen, zu denen viele hin und her wippten, einige wenige sogar sangen. Es war ein Bild von eigenartiger Perfektion, für das es einen passenderen Anlass als das Ende des Fests des Lichts nicht hätte geben können. Es raubte mir den Atem und ich kam nicht umhin, die Situation zu bestaunen.
Es war mir mit einem Mal mit überwältigender Klarheit bewusst: Ich liebte meine Stadt. Die Händler und die Diebe, die Priester und die Wissenschaftler, die Adligen und die Arbeitslosen, die Rebellen und das Königshaus. Es war nicht perfekt, sogar weit davon entfernt, wenn man genau war. Aber ich würde alles in meiner Macht stehende tun um meine Stadt zu beschützen. Und wenn das nicht ausreichte, musste ich eben weitere Macht gewinnen, koste es was es wolle. Die Stadt stand zwischen Gewalt und Diplomatie, niemals vollständig ruhend, nur zu diesem einen Augenblick, in dem das Volk in explosiver Vorfreude den König erwartete. Er musste nur auf den Balkon hinaustreten um den Jubel zu zünden.

Ein Geräusch hinter mir ließ mich aufschrecken, sodass ich mich fast an einem Stück Brot verschluckte. Alarmiert drehte ich mich um, doch sobald ich sah, was -oder besser gesagt wer- das Geräusch verursacht hatte, entspannte sich meine Haltung.
„Oh, Leyla.“ Leyla Ashwen war eine der interessanteren Bewohnerinnen der Stadt. Sie hatte schon eine Menge Dinge in die Finger bekommen, zu denen sie eigentlich keinen Zugriff haben sollte. Sie war gut in dem was sie tat, auch wenn ich nicht wusste, wie sie es schaffte so oft unbemerkt davonzukommen. Wir tauschten ab und zu Informationen aus und sie war eine Quelle, der ich vertraute. Die gelegentliche Kooperation war für uns beide von Vorteil und ich hatte Respekt für sie. Wir arbeiteten weder dauerhaft zusammen, noch waren wir Freunde, aber wir waren beide Frauen ähnlichen Alters, die es nicht immer ganz leicht in den Schatten dieser Stadt hatten und es gab definitiv unangenehmere Gesellschaft. Das reichte aus, um nicht verunsichert zu sein als sie plötzlich auftauchte und es sich wenig später neben mir bequem machte.
Das Gespräch drehte sich zuerst um Nichtigkeiten bis sie die Briefe von Frau Marther erwähnte. Ich erinnerte mich gut an den Aufruhr um die Hochzeit und die junge Frau, die aus dem nichts gekommen zu sein schien. Natürlich schlug mein Versuch, die Information ohne Gegenleistung aus der Diebin herauszubekommen gänzlich fehl, aber das quittierte ich nur mit einem Grinsen, bevor ich sie von den Plänen des Kommandanten Zeloon in Kenntnis setzte. Ich konnte es schließlich nicht unversucht lassen, auch wenn ich erwartet hatte, dass es eher ein Informationsaustausch werden würde.

Als es auf dem Platz plötzlich laut wurde, wurden wir still.
Die Sonne war hinter den Horizont gesunken und obwohl ihr buntes Licht noch den Himmel erstrahlte, war es als wäre der Moment der Idylle nie da gewesen. Die Menschen tuschelten und der Jubel war nicht so hervorstechend, wie ich erwartet hatte. Meine Augen sprangen sofort zum wahrscheinlichsten Ort, an dem etwas geschehen würde, dass die Aerwethear in Aufruhr versetzen würde: dem großen weißen Balkon des Schlosses, von dem der König nicht selten zu seinem Volk sprach.
Statt des Königs erblickte ich die Königin, selbstbewusst und ruhig, als wäre nichts falsch daran, dass sie an der Stelle ihres Mannes stand. Ich runzelte skeptisch die Stirn. Es war alles falsch daran.
Sie erzählte etwas davon, dass der König leicht erkrankt wäre. Dafür war diese Rede doch viel zu wichtig. Seine nächste Chance, auf dem Fest des Lichts zu reden, würde erst in fünf Jahren kommen, wenn überhaupt. Außerdem schien das für den König, soweit ich ihn einschätzen konnte, ein untypisches Verhalten zu sein.
„Leichte Erkrankung, als ob“, murmelte ich abwertend.
Aus dem Augenwinkel sah ich wie Leyla mich amüsiert ansah. „Weiß die Königin der Gerüchte und sensitiven Fakten mal wieder mehr als wir anderen Normalsterblichen? Wenn es keine Erkrankung ist, was dann?“
Der Titel schmeichelte mir und ich machte keine Anstalten, ihn zu relativieren. Allerdings war das tatsächlich eine gute Frage, die sie da stellte. Ich versuchte mein Gedächtnis nach Fakten zu durchkämmen, die mit dem König in Zusammenhang standen, doch ich fand nichts. Wenn überhaupt hätte es die Königin sein sollen, die heute nicht dort stand. Es war eine ernüchternde Erkenntnis. Über so etwas musste ich doch eigentlich bescheid wissen. Konnte ich ihr vorspielen, genauestens zu wissen was Sache war? Vermutlich nicht, dafür hatte ich schon zu lange gezögert.
„Ich traue dieser Frau nicht. Diese Rede ist zu wichtig, um sie wegen einer leichten Erkrankung nicht zu halten.“ Mir war bewusst, dass ‚diese Frau‘ keine annähernd ausreichend respektvolle Bezeichnung für eine Königin war, aber ich machte aus meiner Missgunst kein Geheimnis.
„Kein Fan, hmm?“, kommentierte sie scherzhaft, bevor wir uns beide wieder dem Zuhören widmeten.
„Warum hält sie eigentlich die Rede? Sollte das nicht der Prinz übernehmen? Das ist schließlich irgendwann sein Job.“ Das war ein berechtigter Einwand und ich nickte zustimmend, bevor ich überhaupt darüber nachdachte. Der Anblick des Prinzen hätte mich mit Sicherheit weniger verunsichert. Stattdessen war der Prinz vollkommen abwesend, nicht im Schatten seiner Stiefmutter und sonst nirgendwo. Wenn überhaupt verunsicherte mich das noch mehr.
„Eigentlich schon, aber der ist ja nirgends zu sehen.“ Ich beobachtete die Königin nachdenklich, sie war alleine mit der Ausnahme ein paar unbedeutender Wachen. „Irgendetwas stimmt hier nicht“, schloss ich. Ich fühlte mich etwas hilflos. Alles was ich machen konnte, war Vermutungen aufzustellen.
„Das ist noch merkwürdiger. Der Prinz hat sich die letzten Jahre immer die Rede angehört.“ Ich stimmte ihr schweigend zu. Nicht nur zum Fest des Lichts sondern auch zu jeder anderen Rede seines Vaters, von der ich wusste, war er anwesend gewesen. „Nicht, dass sich die einzelnen Reden groß voneinander unterscheiden.“ Tatsächlich bestand eine fast erschreckende Ähnlichkeit zwischen dieser Rede und den vorangegangenen des Königs, als wäre sie aus Bruchstücken alter Reden zusammengepuzzelt worden.
Ich starrte die Frau auf dem Balkon an, die ich für ihre Position zutiefst beneidete. Ich hatte kein Interesse daran, diesen König zu heiraten, aber welches Mädchen träumte nicht davon, eine Königin zu sein? Sie war schön und anmutig, aber ich war überzeugt, dass Kleider wie die einer Königin auch das hässlichste Entlein in einen bildhübschen Schwan verwandeln konnten.
Sie war zu weit entfernt um an den Details in ihren Gesichtszügen abzulesen, ob das was sie sprach die Wahrheit war. Ihre Freude über das Fest, lächerlich. Was wusste sie schon von den Traditionen meiner Stadt? Wünsche für eine glorreiche Zukunft des Königreiches? Hätte sie dem König dann nicht schon längst das oh so ersehnte Kind geschenkt? Ich glaubte nicht an den Unsinn dieser Prophezeiung, aber war es nicht töricht, all die Menschen, die daran glaubten, zu verärgern? Ich musste an Frau Marther denken, die nur auf das Geld ihres Mannes aus war. War die Königin ein ähnlicher Fall? Ich wusste es nicht. Aber was auch immer diese Frau geplant hatte, es gefiel mir nicht.
Die Rede erreichte ihr unspektakuläres Ende und das Volk zu den Füßen von Königin Arista jubelte und klatschte. Ich blieb still und beobachtete sie, bis sich die Türen des Balkons hinter ihr schlossen.

Etwas explodierte mit einem lauten Knall und ich sah auf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Das Feuerwerk erhellte den dunklen Abendhimmel in leuchtenden Farben. Ich beobachtete gebannt, wie das sich bewegende Kunstwerk präzise Muster bildete, meine Sorgen für einen Moment vergessen. Es war zu schön um es nicht zu genießen. Meine Gedanken schweiften zu Leena und Riko, die vermutlich auf den gleichen Himmel hinaufschauten, genau wie Kyle und unser Vater. Ich erinnerte mich an den Prinzen und seine Abwesenheit. Etwas war schiefgelaufen und trotz des Lärms, den das wunderschöne Feuerwerk machte, fühlte es sich an wie ein letzter Moment von Ruhe.
Die Festlichkeiten endeten als das letzte künstliche Licht am Himmel erlosch. Die Dinge würden jetzt langsam wieder in die Normalität übergehen und die ganzen Besucher endlich verschwinden. So normal wie es jedenfalls sein konnte, wenn der König weiterhin nicht auftauchte. Aber ich würde meinem Ruf nicht gerecht werden, wenn ich nicht herausfinden konnte, was passiert war.
Ich verabschiedete mich von Leyla. „Zeit, ein paar Nachforschungen anzustellen“, murmelte ich mehr zu mir selbst, bevor ich wieder von dem Dach herunterkletterte und meine Landung durch das Gegendrücken von Luft abfederte.
Ich verschwand zwischen den Menschenmassen und bewegte mich zielstrebig auf ein bestimmtes Haus zu, von dessen Bewohner ich mir Antworten versprach. Ich klopfte kräftig an der Türe, in der Hoffnung, dass sie sich öffnete.
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El Topé    Empty Re: El Topé

Fr Jul 06, 2018 9:59 pm
„Himmlische Aussicht, nicht wahr?“ Wenn ihre Stimme sie nicht bereits verraten hätte, hätte Calluna sie spätestens jetzt an ihren feuerroten Haaren erkannt: Eden, die Angestellte von Antonio’s. Es vergingen erst einige Sekunden, doch dann fand auch Calluna ihre Stimme wieder. „Entschuldigen Sie mich falls diese Frage unhöflich ist, aber was machen Sie hier vor dem Palast?“, fragte Sie die Frau, die jetzt direkt neben ihr stand. „Lassen wir die Förmlichkeiten, immerhin kannst du dich auch bestimmt noch an meinen Namen erinnern“, sagte Eden mit einem breiten Grinsen auf den Lippen „Und noch dazu könnte ich dich das gleiche fragen.“ Da sie weder die Zeit noch wirklich die Nerven für ein längeres Gespräch mit der anderen Frau hatte, beschloss sie fürs erste nichts weiter zu sagen. Wieder vergingen einige Sekunden. „Tja, ich denke ich mach mich mal auf den Weg, immerhin beginnt gleich die Rede. Ich bin schon den ganzen Tag darauf gespannt, was sie sagen wird“, meinte Eden plötzlich. „Dem werde ich mich anschließen, ich muss zurück für die Lichtmesse die bald- moment… wieso sie? Ich dachte der König hält die Rede? Oder wen meinst du?“ Doch als sie sich wieder zu ihr drehen wollte, war sie allein vor den Mauern des Palasts.



„Den Göttern sei Dank, dass ich dich als Tochter habe mio fiore, du warst mir eine große Hilfe!“ sprach Callunas Vater während er sie in seine Arme nahm. Die Lichtmesse verlief gut und soweit auch wie geplant… nur war anscheinend irgendwo eine Türe offen, denn auf einmal gingen alle Kerzen aus und ihr lief ein heftig kalter Schauer über den Rücken. Ein seltsam beklemmendes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus, aber sie entschied sich dazu die Symptome zu ignorieren, bis die Messe vorbei war.



„Es besteht kein Grund zur Sorge, er hat sich nur eine leichte Erkrankung zugezogen und hält auf Wunsch der Ärzte etwas Bettruhe. An seiner Stelle, möchte ich seine Worte an euch richten."
Tatsächlich stand da die Königin höchstpersönlich. Hatte Eden also gewusst, dass der König mit einer Erkältung im Bett liegt? Wahrscheinlich bin ich einfach nur eine der Letzten die es weiß, immerhin verbreiten sich in einer großen Hauptstadt wie dieser Gerüchte und Neuigkeiten wie ein Lauffeuer.

Nach der Rede machte sich Calluna ein letztes Mal auf dem Weg zur Kathedrale des Palasts um zu beten und anschließend ihren Vater aufzusuchen, doch als sie ankam vernahm sie lediglich wie eine Person vor der Statue der Lichtgöttin… trauerte?
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El Topé    Empty Leyla - Teil 3

Sa Jul 07, 2018 3:54 pm
Wie erwartet, machte auch dieses Jahr das Feuerwerk seinem Titel als „Höhepunkt des Lichtfestes“ alle Ehre. Unzählige von Schwarzpulver und Metallsalzen gezeichnete Blumen hüllten den mittlerweile dunklen Nachthimmel in buntes Licht, bevor sie binnen weniger Sekunden wieder erloschen. Lautes Knattern, Knallen und Zischen mischte sich mit bewundernden „Ah!“ und „Ohh!“ Ausrufen, welche aus der ehrfurchtsvoll in den Himmel starrenden Masse zu uns heraufhallten.
Es war wirklich eine gute Entscheidung gewesen, die Chance auf noch mehr Ausbeute einfach ziehen zu lassen. Auch Verbrecher brauchten mal Freizeit.
Irgendwann erreichte das pyrotechnische Spektakel sein großes Finale, welchem einen Moment Stille folgte. Das war es dann wohl mit dem Fest des Lichtes für die nächsten fünf Jahre.
Diese Einsicht erreichte auch alle anderen Besucher und so dauerte es nicht lange, bis wieder geschäftiges Treiben ausbrach. Es war spät und alle wollten so schnell es ging Nachhause, während vereinzelnd Händler versuchten sie daran zu hindern und ihre letzten Waren noch schnell irgendwo gegen Schmachten einzutauschen.
Auch Cassidy erhob sich und nach ein paar kurzen Worten des Abschieds auf den Weg. Ich ließ mich dagegen auf den Rücken fallen, rollte die Kapuze meines Mantels zu einem provisorischem Kissen zusammen und starrte nachdenklich in den Himmel.
Dass die Königin die Rede gehalten hatte waren große Neuigkeiten. Sicher war es gerade das Gesprächsthema Nummer Eins, auch wenn ich mir nicht die Mühe machte den Stimmen der Masse zuzuhören, welche unter mir vom Schlossplatz strömte. Also abgesehen davon, ob diese überhaupt noch da waren. Ich würde mich erst auf den Weg machen, wenn wieder Ruhe auf den Straßen eingekehrt war. Auch wenn ich im Dunkeln recht gut sehen konnte, war ich nicht so lebensmüde in einer bewölkten Nacht über die Dächer zu klettern.
Stattdessen überlegte ich, was ich als nächstes tun sollte. Eigentlich liebte ich es nachts durch die Straßen zu ziehen. Das war die einzige Tageszeit, während der ich nicht komplett paranoid sein musste und die Stadt fast wie ein normaler Bürger erkunden konnte.
Leider musste ich mir aber eingestehen, dass ich echt müde war. Ich hatte die letzte Woche in meiner Zelle nicht wirklich viel geschlafen und das machte sich bemerkbar. Außerdem wurde es mal wieder Zeit, dass ich diesem Ort einen Besuch abstattete.

-

Auch wenn es schon sehr spät war, herrschte im Nordosten von El Topé reges Treiben. Schließlich war es bekannterweise das Viertel mit den meisten Kneipen und Gasthäusern, letztere zum Teil auch mit Unterhaltung der anderen Art. Gleichzeitig war es allerdings auch der kriminellste Stadtteil, weshalb man mir in meiner verhüllten Gestalt kaum eines zweiten Blickes würdigte.
Auch nicht, als ich in einer Nebengasse verschwand, mit geübten Griffen die Wand eines Gebäudes erklomm und mich auf einen Balkon schwang. Mit einem schnellen Blick durch die offene Balkontür vergewisserte ich mich, dass niemand Unerwartetes im Flur war, bevor ich eintrat. Zielstrebig ging ich an mehreren geschlossenen Türen vorbei, bis ich eine halb geöffnete erreichte, aus welcher mir bekannte Stimmen nach draußen hallten. Es sollte nichts dagegen sprechen, wenn ich mich dazugesellte.
Das Gespräch unterbrach als ich die Küche betrat. Belle und Mia sahen überrascht von ihrem Essen auf, doch als sie mich erkannten erhoben sie sich lächelnd, um mich mit einer kurzen Umarmung zu begrüßen. Ich bediente mich an dem Eintopf, welcher über der Feuerstelle hing, und setzte mich zu den beiden an den Tisch.
„Wo warst du die ganze Zeit?“, fragte Belle neugierig. „Wir haben dich bestimmt seit zwei Wochen nicht mehr hier gesehen.“
Ich zuckte mit den Schultern.
„So hier und da. Den größten Teil der Zeit im Kerker, aber nicht der Rede wert. Hab ich irgendwas Wichtiges verpasst?“
Die beiden Mädchen wechselten einen einen nachdenklichen Blick. Mia war die erste, der etwas einzufallen schien: „Kaum etwas Überraschendes. Viele Kunden wegen dem Fest und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Und dieser eine Wachmann, der vor einiger Zeit Eden Probleme gemacht hat, war wieder da.“
Ich nickte mit vollem Mund um ihr zu zeigen, dass ich wusste von wem sie sprach. Nach dem Schlucken antwortete ich: „In Ordnung, dann setzte ich ihn auf die Liste. Sonst noch was?“
Auf einmal schien Belle ein Licht aufzugehen, als sie laut aufatmete und den Finger hob, um meine volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie grinste mich breit an.
„Du wirst nicht glauben, wer sich hier sonst noch diese Woche ein Zimmer genommen hat!“ Sie machte eine dramatische Pause. „Eine Nonne! Eine verdammte Nonne aus dem Kloster von … ähh ...“
„Lichtenbusch“, half Mia aus.
„Genau! Lichtenbusch! Verrückt oder?“
Ich sah die beiden skeptisch an. „Eine Nonne?“, fragte ich sicherheitshalber nach.
„Eine Nonne“, bestätigte Belle. „Eine Nonne im Antonio‘s auf der Suche nach einer ‚Bleibe für die Nacht‘.“
Okay, das ergab schon mehr Sinn. Beziehungsweise war das weniger verwunderlich.
Ein leises Klingeln ertönte, welches das Ende der Pause ankündigte. Etwas beschämt sahen die beiden auf ihr dreckiges Geschirr und nahmen mein Angebot, dieses mit meinem zusammen abzuwaschen dankend an. Im Gegenzug versprachen sie mir Sasha zu informieren, dass ich mit ihr Reden wollte.
Diese ließ nicht lange auf sich warten und überreichte mir mit Vergnügen die aktualisierte Liste von Leuten, welche ihre Manieren oder den Fakt vergessen hatten, dass das Antonio‘s in Schutz von El Topés Untergrund stand. Wobei natürlich nicht bekannt war, dass dieses Etablissement meiner Wenigkeit gehörte.
Mein Gespräch mit Sasha war schnell wieder beendigt, sodass ich mich endlich auf den Weg in meine kleine Wohnung machen konnte. Ich drehte den Schlüssel im verstärkten Schloss und drückte die schwere Tür auf, nur um direkt von einem Raubtier attackiert zu werden. Einem Raubtier auf der Suche nach Streicheleinheiten.
Ich hatte den nun wirklich nicht kleinen Fischkater vor einigen Jahren kennengelernt, noch bevor mir das Antonio‘s gehörte und ich eine sicherere Bleibe hatte. Das Biest hatte ähnlich wie ich gemerkt, dass es sich ziemlich gut von den Besitztümern anderer Leute leben ließ. Auch wenn er natürlich eher auf Nahrung als auf Wertsachen aus war.
Doch als ich ihn zum ersten mal traf, hatte er es irgendwie geschafft sich das Bein zu brechen. Ich vermutete, dass einer seiner Raubzüge schief gelaufen war. Mit Sicherheit konnte ich das natürlich nicht sagen.
Auch wenn ich nicht wirklich ein Fan von Menschen war, konnte ich es nicht übers Herz bringen dieser armen Kreatur nicht zu helfen. Also päppelte ich ihn wieder auf und seitdem war er mir ein guter Freund und eines der wenigen Lebenwesen, denen ich vollkommen vertraute. Außerdem war er das perfekte Haustier, da er die Fähigkeit sich selbst Essen zu besorgen nie verlernte und ich nun wirklich nicht oft genug Daheim war, um ihn zu füttern. Ganz zu schweigen davon, dass seine feine Nase es immer merkte, wenn jemand an meinen Sachen herumgepfuscht hatte.
Dementsprechend war ich erleichtert, dass er mich so entspannt begrüßte. Also war alles in Ordnung.
Ich schob die Tür mit dem Fuß hinter mir zu, während ich dem Fischkater den Nacken kraulte. Auch ohne Licht wusste ich genau, wo alles stand. So bahnte ich mir zielsicher den Weg zu Bett, während ich nebenbei mein Zeug auf den zuvor leeren Tisch warf.
Dort angekommen machte ich es mir gemütlich und schloss meine müden Augen, um endlich mal wieder tief zu schlafen. Ich bekam kaum noch mit, wie mein feliner Freund es sich neben mir bequem machte und aufmerksam Wache hielt, da driftete ich schon ins Land der Träume ...
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Ruven
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El Topé    Empty Ohnmacht, die Zweite!

Mi Jul 18, 2018 9:48 pm
Ruven wachte in einem grauen, kleinen Raum auf. Er saß an einem Tisch am Rand des Raumes. Links von ihm war eine Liege mit Geräten, die aussahen, als sei er beim Zahnarzt und bis auf einen Schrank war der Raum sonst ziemlich leer. Hinter ihm sprachen zwei Männer über ihn. Lagrange. Ihre Unterhaltung bezog sich auf die Apparatur, die sich auf dem Tisch vor Ruven befand und aus zwei Elektroden bestand, zwischen denen in der Mitte eine Art Thermometer war, das den Strom gemessen hat. Offenbar war es Ruven nicht gelungen, diesen Aufbau mit seiner Magie unter Strom zu setzen. Wie denn auch, wenn ich keinen Fulgurring anhabe?
„Es funktioniert nicht“, sagte der Mann, mit dem Lagrange redete, „irgendetwas haben wir übersehen.“
Es trat ein überlegtes Schweigen ein, bis sich Lagrange schließlich einen Bohrer nahm und ihn drohend anmachte: „Vielleicht müssen wir noch etwas korrigieren?“
Ruven tat der Klang des Bohrers in den Ohren weh, er spürte an mehreren Stellen seines Körpers starke, stechende Schmerzen und schrie auf. Dabei haute er so feste auf den Tisch, dass er die Kontrolle verlor und den Tisch unter Strom setzte, wobei das Strommessgerät platzte.
Langrange stellte den Bohrer aus: „Interessant.“


Ruven wachte auf einer auf dem Boden liegenden Matte auf. Wieder ein Alptraum. Starke Schmerzen durchdrangen seinen ganzen Körper. Er schaute sich liegend um. Ein kleiner hölzerner Raum spendete ihm Wärme, während der Regen kraftvoll in der Nacht gegen die Fenster prasselte. Aufgrund der Größe des Raumes fiel das Mobiliar nicht sehr vielfältig aus, es gab nur noch einen kleiner Nachttisch und ein Bett, auf dem eine Person schlief, die Ruven von unten aus nicht erkennen konnte. Geschwächt von den Schmerzen richtete sich Ruven langsam und beschwerlich auf und begutachtete den Schlafenden. Es war sein Arbeitskollege Jarre. Jarre war ein lieber Kerl, er musste ihn auf dem Platz liegend gefunden haben und zu seiner Familie mitgenommen haben, bei der Jarre während des Aufenthalts in El Topé Unterkunft aufsuchte. Der Platz. Die Erinnerungen an die Ereignisse von vor einigen Stunden kehrten zu Ruven zurück. Er musste zu Lesla. Musste ihr erklären, dass das alles gestern nur doof gelaufen ist, er sie nicht in irgendeiner Weise beleidigen wollte. Also machte er sich, um möglichst unauffällig zu bleiben, durch das Fenster auf in die Nacht.


Wie schon festgestellt, regnete es heftig. Ruven brauchte kaum ein paar Schritte rauszugehen und er war klitschnass. Er wusste nicht einmal, wo Lesla war. Doch das war ihm egal. Er fühlte auf einmal einen starken Willen und vertraute seinen Schritten. Von Energie erfüllt ging er ohne Ziel zielsicher durch die menschenverlassenen, dunklen Gassen El Topés.
Die Wolken verdichteten sich immer mehr und bald war auch der letzte Stern am Himmel verdeckt. Stockduster wurde die Hauptstadt Ærweteas. Ruven bog rechts ab und kam am Südtor vorbei. In der Ferne jenseits des Tores zuckte ein Blitz und beleuchtete für einen kurzen Augenblick die Umrisse der Baumkronen des Waldes östlich der Hauptstadt. Unser junger Magier hatte sein ursprüngliches Ziel Lesla mittlerweile komplett vergessen. Ein paar Meter weiter kam Ruven bei den Fabriken der Hauptstadt an. Diese waren nicht besonders beeindruckend. Ein bisschen heruntergekommen sogar, aber wurden immer noch von den armen Städtern benutzt. Man wollte hier nicht des Nachtens umherwandern, da zwischen den Fabriken die obdachlosen Drogenabhängigen rumgammelten. Hätte Ruven die in Eile verlassenen Schlafplätze bemerkt, die kein gutes Omen mit sich brachten, wäre er skeptisch geworden und hätte umkehren können. Doch Ruven betrat die Halle in einem Rausch der Energie.


Ungefähr zehn Menschen - darunter einige Kollegen von Ruven - waren in dieser um ein Podest versammelt, auf dem eine Person stand, die Ruven jederzeit sofort wiedererkennen würde und meiden würde, wäre er nicht so benommen gewesen. Lagrange. Lagrange war in einem Tank Top gekleidet, welches seine ausgebildeten Muskeln preisgab. Er hielt einen der Drogenabhängigen gefangen und stand still. Im Hintergrund wirkte ein Mann mit dunkelbrauner Kapuzenrobe eine Art Ritualzauber, bei der Ruven in seinem jetzigen Zustand nicht in der Lage war, sie weiter zu identifizieren. Als der Mann Ruven bemerkte, hörte er auf und gab Lagrange ein Zeichen.
„Höret her, meine Mitmagier! Wir haben uns hier versammelt, da sich die Ereignisse zu unseren Gunsten häufen. Ihr werdet schon bald erfahren, wovon ich spreche. Wir brauchen demnächst eure Hilfe. Mir ist bewusst, es herrscht gerade große Verwirrung, eure Fragen werden sich in den nächsten Tagen klären. Bis dahin vertraut mir. Doch lasst uns aus Sicherheit ein Bündnis schaffen, das keiner zu brechen vermag. Bringt die Liege herein!“
Lagrange fesselte den Obdachlosen an der Liege und ließ die anderen Blitzmagier verstehen, dass sie sich um ihn sammeln sollten. Ruven wusste, was das werden sollte. Sanguis Amni. Dieses Ritual wurde unter den eher harten, schrecklosen Blitzmagiern verwendet, um ein Bündnis unter Amnis, dem Gott der Blitzmagie, zu besiegeln. Bis heute war es ungeklärt, ob etwas und wenn ja was passiert, wenn das Bündnis gebrochen wurde. Es hat bisher keiner gewagt, es auszutesten. Schwarze Magie unter der Blitzmagie war als sehr skrupellos und schrecklich bekannt und verboten, deshalb wurde diese nicht häufig praktiziert.
Der Mann mit der Kapuzenrobe befahl: „Legt alle eure rechte Hand auf diesen Mann und sprecht mir nach.“ Ruven verspürte ein inniges Widerstreben, bei diesem Ritual mitzumachen, aber er konnte nicht anders. Seine Hand bewegte sich gegen seinen Willen auf den Oberarm des auf der Pritsche liegenden Mannes. Er war wie verzaubert.
Im Wechsel fielen die Worte des Rituals.
Das Opfer begann zu schwitzen und zu zappeln. Durch die Hände der Magier floss Strom, der stärker und stärker wurde. Aus dem Zappeln wurde ein Zucken und die Adern des Mannes pochten heftig unter seiner Haut. Die Hände der Magier begannen in einem Fulgurton zu leuchten. Der Obdachlose versuchte vergebens nach Luft zu schnappen. Man sah ihm die inneren Verbrennungen an, seine Haut erlangte an unterschiedlichen Stellen einen tiefen Rotstich. Schließlich hörte das hektische Atmen auf. Er war tot. Die Magier hörten erst auf, als sie die Worte beendet hatten und der arme Mann halb zerfallen war. Dann wurde Ruven ohnmächtig.
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El Topé    Empty Re: El Topé

Mi Aug 22, 2018 1:10 pm
Nach dem Betreten des Geschäfts brauche ich zwei, drei Augenblicke, um mich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Neben mir befanden sich noch um die 20 Personen in dem überschaubaren Laden. Im Vergleich zu der Menschenmenge auf der Straße wirkte er aber wie leer gefegt und damit genau richtig, um wieder etwas zu entspannen.
In den verschlossenen Vitrinen lagen in erster Linie Schwerter, Messer und Schilde, es gab aber auch einige Gegenstände bei denen ich mir nicht sicher war was sie darstellen sollten. Möglich, dass es sich dabei uns Schmuck handelt. Immerhin strahlen sie auf ihre eigene Art und Weise eine Form von Asthetik aus.
Für mich interessanter waren aber ohnehin die Waffen. Die meisten zeugten von einer hohen Schmiedekunst und waren am Griff reichhaltig verziert. Ob sie auch scharf waren oder nur zu dekorativen Zwecken für reiche Bürger, konnte ich nicht genau erkennen. Beim genaueren Hinsehen fiel mir an einigen Schwertern ein leichter Grünschimmer auf, wenn man im richtigen Winkel hinschaute. "Wohl eine Legierung, die wir bei uns nicht kennen", murmelte ich vor mich hin, "nur komisch, dass es sich genauso magnetisch anfühlt, wie normales Eisen".

Ich schaute mich weiter im Laden und seinen Nebenräumen um, bis ich beim Betreten eines weiteren Raumen durch eine unerwartet kräftige Stimme angesprochen wurde, "Ähm? Entschuldigung? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?".
"Oh, ... ähm, ...", waren meine ersten Worte, bis ich aus meinen Gedanken zurück fand, "Nein Danke. Eigentlich schaue ich mich nur ein bisschen um."
"Ihnen ist schon klar, dass es sich hier nicht um einen Verkaufsraum handelt?"
"Oh. Das wusste ich nicht. Ich komme nicht..."
"Sie können doch nicht einfach durch fremde Häuser spazieren", unterbrach mich der Mann energisch, von seinem Schreibtisch aufstehend, ohne dabei signifikant größer zu werden, "Außerdem hätte Ihnen doch schon beim Vorzimmer auffallen müssen, dass dort nichts mehr ausgestellt ist."
"Es tut mir Leid, ich dachte nur..."
"Und wo steckt eigentlich Erik? Der hätte Sie schon vor dem Betreten des Zimmers bemerken können", wurde ich erneut unterbrochen, in einem langsam ruhiger werdendem Ton.
Bevor ich mich erneut rechtfertigen wollte, wartete ich noch kurz, um nicht noch ein drittes Mal unterbrochen zu werden.
"Es tut mir Leid. Ich komme nicht von hier und wusste nicht wie die Geschäfte hier aufgebaut sind."
"Zum Lichtfest reisen viele Leute weit an und trotzdem sind Sie der erste, der einfach in mein Büro platzt."
"Wissen Sie, bei uns in Bracktal leben wir solidarisch zusammen: Es gibt einige Gemeinschaftsgebäude, die dann auch jeder Betreten darf. Außerdem bin ich auf der Suche nach Arbeit und nach einer Unterkunft hier. Das mit dem Lichtfest war eher zufällig."
"Bracktal? Mmhh... Der Name sagt mir doch irgendetwas."
"Sicher? Es ist nur ein kleines Dorf, das hauptsächlich vom Bergbau lebt."
"Als jemand der mit Metallwaren handelt, höre schon von der ein oder anderen Miene."
"Sag mal", redete Argon weiter als ich nur überrascht dreinschaute, "Wie gut kannst du die Qualität von Metallen einstufen?"
"Ich weiß nicht genau. Ich kenne eigentlich nur das Aluminium, Eisen und Chrom, das wir selbst abgebaut haben und das Mangan und Vanadium, das wir zukaufen mussten, um bestimmte Legierungen herzustellen."
"Warte kurz. Ich hole mal etwas aus dem Lager"
Nach wenigen Minuten kam er wieder ins Büro mit ein paar Metallresten, einer zersprungenen Klinge und einem Stück Holz. Er legte die Gegenstände auf den Tisch und fing mit ein paar einfachen Fragen an. Die nahezu reinen Werkstoffe waren leicht zu identifizieren. Etwas schwieriger wurde es bei stark verrosteten Proben und denen, die geringe Mengen bestimmter Zusätze enthielten, die die Eigenschaften aber stark beeinflussten. Meine Antworten schienen aber befriedigend zu sein, da er immer weiter fragte. Beim Schwert angekommen wollte er schließlich wissen, warum es wohl zerbrochen ist - garkeine so einfache Frage, bei der ich mehrere Minuten überlegen müssten.
"Scheint als sei der Siliziumanteil zu hoch, wodurch der Stahl spröde wird. Womöglich hat auch schon der Schmied das nicht beachtet. Es wirkt jedenfalls so als seien ein paar Haarrisse im Material vorhanden. Vielleicht sind die aber auch erst später entstanden."
"Eine interessante These. Ich werde das morgen mal untersuchen lassen. Bisher wussten wir selbst nicht, warum es gesprungen ist. Der Kunde war jedenfalls sehr unzufrieden. Zum Glück war es kein richtiger Kampf auf Leben und Tod, sondern nur ein Turnier, aber peinlich war es für ihn allemal. Dass Sie die verschiedenen Metalle so genau bestimmen können bringt mich aber auf einen anderen Punkt: Kann es sein, dass Sie ein Metallmagier sind?"
"Ja, ich denke schon. Wir haben es nie von einem Fachmann bestätigen lassen, aber es ist schon recht wahrscheinlich."
"Okay. Dann hab ich noch eine letzte Frage: Hast du solches Holz schon einmal gesehen?"
Ich nahm das Stück vom Tisch. Es sah aus und fühlte sich an wie normales Holz. "Nein", antwortete ich schließlich, "und was genau hat das mit Metallmagie zu tun?"
"Es ist Stahlholz. Ich suche noch einen Metallmagier, der es mit Stahl zusammen verarbeiten kann."
"Und wie genau funktioniert das?"
"Das weiß ich leider nicht und ich kenne auch niemanden mehr, der es beherscht." Argons Blick sah etwas betrübt aus bei diesen Worten und er schien in Gedanken kurz abzuschweifen. "Naja was soll's", redete er schließlich weiter, "mit etwas Glück findest du in der Bibliothek Informationen dazu. Wenn du magst gebe ich dir ein oder zwei Stücke Eisenholz, mit denen du üben kannst. Falls du es wirklich schaffst, kann ich dir einen Job anbieten."
"Das wäre großartig. Vielen Dank. Ich werde morgen direkt direkt damit anfangen. Aber eine ..."
"Die Rede des Königs!", unterbrach mich der Zwerg der dabei eilig aufsprang, "die muss jeden Moment anfangen. Komm! Nichts wie los"
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Argon Goldbart
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El Topé    Empty Du willst mich doch wohl auf den Arm nehmen!

Do Sep 06, 2018 4:39 pm
Schnell packte ich meinen Mantel und begab mich nach draußen. Der andere Mann drehte sich verdutzt um und folgte mir.
"Die Rede des Königs?" fragte er.
"Ja, die des Mannes, der der Herrscher dieses Landes ist. Jedes mal beim Lichtfest wird eine Rede von ihm gehalten, um das Fest zu beenden. Danach gibt es immer ein großes Feuerwerk."
Der andere Mann schien neugierig zu sein, denn bei dem Wort Feuerwerk schienen seine Augen zu leuchten. Vielleicht hat er in seinem Leben noch nie ein Feuerwerk gesehen.
"Wie heißt du eigentlich?" fragte ich ihn.
"Wie bitte? Oh, äh, ja, mein Name ist Tom Mine und ihrer ist Herr Goldbart nehme ich an?"
"Das ist richtig, aber alle nennen mich Argon."
Auf dem Weg aus dem Kontor holte er noch aus dem Lager die Träne des Lichts, das Schwert, welches er dem König schenken wollte.
Als sie auf dem Weg zum Hauptplatz waren mussten sie sich durch eine enorme Menschenmasse drängen. Alle warteten nur auf die Rede und auf den König. Im ganzen Volk war er beliebt. Nicht zuletzt, da er es verstand auch wie die kleinen Leute sich zu verhalten. Selbst die Unterschicht hielt ihn für einen von Ihnen.
"Nun, einen guten Platz werden wir nicht bekommen." sagte Tom.
Ich antwortete nicht. Zumindest sah er etwas. Meine Aussicht war beschränkt auf den unteren Rücken meines Vordermannes.
"Entschuldigen Sie?" begann ich "Könnten sie vielleicht die kleineren Leute nach vorne lassen?"
Der Mann drehte sich um und sprach mit einer hohen, aber kräftigen Stimme: "Tut mir leid, aber ich war zuerst hier." Und drehte sich damit wieder um.
Na toll, dachte ich, wie komm ich denn nun an einen Platz, bei dem ich etwas sehen kann?
"Hey, Argon komm, ich hab eine bessere Stelle" sagte Tom und führte mich durch die Menschenmenge.
Er führte mich zu einer stelle, wo nur wenige standen. Zwar etwas abseits der Tribüne, aber mit etwas besserer Sicht.
"Hier sieht es doch toll aus." meinte er und wollte bleiben.
Ich hingegen stand nun minimal erhöht schaute nun auf den Stiernacken einer Fleischerin, dessen Fett sich wie Wasser bei jeder Bewegung bewegte. Ich versuchte neben dem Nacken vorbei einen Blick auf die Tribüne zu erhaschen, bemerkte aber, dass dies nur mit geringem Erfolg gekrönt war.
"Also eigentlich,..." begann ich, doch ich wurde von der jubelnden Menge übertönt, als jemand auf die Tribüne stieg. Ich versuchte wieder an der Frau vorbei zu schauen und sah, dass dort die Königin stand. Ein murmeln ging durch die Reihen, als sie zu sprechen begann:

"Ich freue mich an diesem wunderschönen Abend zu euch sprechen zu können. Mir ist bewusst, dass ihr euch sicherlich alle fragt, wo mein Gemahl, unser geliebter König ist. Es besteht kein Grund zur Sorge, er hat sich nur eine leichte Erkrankung zugezogen und hält auf Wunsch der Ärzte etwas Bettruhe. An seiner Stelle, möchte ich seine Worte an euch richten."

Die Rede ging noch weiter, aber alle schauten sich etwas fassungslos an. Noch nie hatte der König nur wegen einer Krankheit seine Rede ausgelassen. Sonst hatte er sich immer selbst entschuldigt und dann jemand anderem die Rede überlassen. Als die Königin geendet hatte starteten die Raketen.
"Du willst mich doch wohl auf den Arm nehmen..." sagte ich zu mir.
Tom neben mir schaute mich verwundert an und mit einem kurzen "OK" mit Schulterzucken hatte er mich schon auf seine Schultern gehoben.
Umstehende Leute, die das sahen, fingen an zu lachen. Ja, Ja, Ja, ein Zwerg, der nur etwas sehen kann, wenn man ihn auf die Schulter nimmt, sehr witzig.
"Hey, lass mich runter. So habe ich das nicht gemeint. Die Rede ist doch eh zu ende."
"Oh, Entschuldigung. Ich habe deine Aussage wortwörtlich genommen." Er setzte mich zurück auf den Boden.
"Merke dir Tom, dass du einen Zwerg nie auf den Arm nehmen sollst. Wir Zwerge sind ein stolzes Volk."
"Bin ich jetzt gefeuert?" fragte er mich ganz niedergeschlagen.
"Gefeuert? Noch bist du nicht eingestellt und außerdem hast du das ja nicht mit Absicht gemacht. Wie gesagt kannst du morgen in meinen Kontor kommen und dich an dem Stahlholz ausprobieren."
"Werde ich machen." Und so verabschiedete er sich von mir.

Ich denke, dass ich mal morgen im Schloss vorbeischauen werde, denn ich möchte das Schwert dem König persönlich geben und vielleicht hilft es dem König, wenn er Krankenbesuch bekommt.
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Arista
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El Topé    Empty Arista - Teil 4

Do Dez 06, 2018 11:43 pm
Ein Mann mittleren Alters in Militäruniform betritt den Konferenzraum, in dem bereits etwa ein duzend Personen, hauptsächlich Berater des verstorbenen Königs sitzen. „Guten Abend, eure Hoheit. Mein tiefgründigstes Beileid.“, sagt der General und verbeugt sich.
„General von Amst, es ist wunderbar, dass sie endlich hier sind“, erwiderte Arista und wies ihn mit einer Handgestik auf einen freistehenden Stuhl.
„Wie ich sehe, ist der Prinz noch nicht hier. Eine Erleichterung, wenn sie mich fragen. Der junge Mann, ist noch nie gut mit Stress umgegangen.“
„Bitte, General. Es geht hier nicht um Lucien. Bitte bringen sie mir gute Nachrichten und sagen sie, wie die Situation an der Front ist.“
„Es tut mir leid sie zu enttäuschen, aber die Situation ist, wie sie vermutlich bereits erwartet haben schlimmer geworden. Diese Wesen haben heute Nachmittag zum ersten Mal die Grenzen überschritten. Und nun verstehe ich natürlich auch warum. Als wäre der Verlust seiner Hoheit, nicht ohnehin schlimm genug.“
„Wie hält sich die Verteidigung? Sie haben da oben doch unzählige Männer stationiert.“
„Die Fußsoldaten sind prinzipiell machtlos. Die magische Division hält stand, aber sie sind eindeutig in der Unterzahl. Wenn sich die Monster nicht plötzlich in Luft auflösen, bin ich der Meinung, dass uns keine andere Wahl bleibt, als Protokoll 66 in Kraft zu setzen.“
„Sehen sie wirklich keine Alternative? Vielleicht sollte ich an die Grenze reiten und mir persönlich ein Bild von der Situation machen. Gibt es den schon Wort von den Flüchtlingen aus Aienart?“
„Ich kann nur so viel sagen, dass die Menschen verängstigt sind. Leider scheinen sie auch nicht mehr zu wissen als wir.“
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Einige Stunden später. Der Prinz ist immer noch nicht anwesend, und die versammelten Leute, wirken deutlich müder.
Arista richtet sich an den persönlichen Kammerdiener des Königs. „Wie weit sind die Ärzte? Wird es bald möglich sein den König in den Haupttempel zu überführen?“
„Die Ärzte hoffen rechtzeitig zur Ansprache fertig zu sein.“, antwortete der Kammerdiener.
„Das sind gute Neuigkeiten. Ich hoffe, wir können ihn innerhalb der nächsten Tage in seine letzte Ruhestätte bringen.“
Prinz Lucien betritt den Raum. Es ist an den Anwesenden gut zu erkennen, dass sie nicht mehr mit dem Prinzen gerechnet haben.
„Wie geht es dir Lucien? Ich“, Lucien unterbricht sie. „Lasst uns zum Punkt kommen. Was habe ich verpasst?“.
„Sicher, dass du dich genug fühlst? Niemanden hat es so hart getroffen, wie dich“.
„Ja, mir geht es gut“, erwidert der Prinz in einem angespannten Tonfall.
„Gut zu hören. Es wäre schön dich morgen an meiner Seite zu haben, wen wir die Ansprache ans Volk halten. Und falls ich es traurigerweise nicht schaffe rechtzeitig zurück zu sein, muss jemand den Trauerzug führen.“
„Was? Wohin gehst du? Du bist eine trauernde Witwe? Es gehörts sich nicht zu vereisen.“
Mit autoritärer Stimme kontert Arista: „Ich mag zwar eine trauernde Witwe sein, aber ich bin auch das letzte lebende Mitglied des Königshauses von Aienart und die Bürger dieses Landes sitzen verängstigt in Notlagern an der Grenze unseres Landes. Einem Ort an dem nun auch Krieg herrscht. Jemand muss an die Front reiten.“
„Und warum solltest du das tun und nicht ich?“
Nun erhob General Amst das Wort. „Alle Ehre eure Hoheit, aber seit dem ihr eure Militärausbildung abgebrochen habt, um euch der „Forschung“ zu widmen“, das Wort Forschung dabei besonders hervorgehoben, „habt ihr bei der Armee und insbesondere bei den Soldaten an Respekt verloren. Ihre Majestät, die Königin, hat den Respekt und die Anerkennung der Armee. Sie ist die eindeutige Wahl.“
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Wieder einige Stunden später. Die ersten Sonnenstrahlen sind schon am Horizont zu erkennen.
„Wann wird die Krönung stattfinden?“, fragt Lucien in den Raum.
Totenstille im Raum. Alle Blicke richten sich auf Arista, es ist deutlich zu erkennen, dass niemand dem Prinzen sagen will, was in seiner Abwesenheit besprochen wurde.
Also antwortete Arista an ihrer Stelle. „Wir sind in der Trauerphase. Wir sollten erst eine Erklärung für den Tod deines Vaters finden, bevor wir uns mit der Thronfolge beschäftigen.“
„Die Thronfolge? Ich bin sein einziger Sohn. Die Thronfolge, ist kein Thema.“
„Lucien, die Sonne geht auf und wir müssen noch die Trauergewänder anziehen, bevor wir uns ans Volk wenden. Können wir das bitte nach der Ansprache besprechen?“
Plötzlich war eine für die Umstände viel zu fröhliche Stimme von einem der Berater zu hören. „Wir dürfen gehen? Licht sei Dank! Ich habe das Gefühl, das diese Nacht schon Monate dauert…“.
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El Topé    Empty Re: El Topé

Di Dez 11, 2018 11:45 am
Ich schlug frustriert erneut gegen die Türe. Natürlich öffnete niemand. Ich würde auch verschwinden, wenn ich den Tod einer Königin planen würde und stattdessen ihr Mann verschwinden würde.
Ich machte ein paar Schritte zurück, um das ganze Haus erblicken zu können. Es war dunkel und etwas heruntergekommen, die bröckelige Fassade lud geradezu zum heraufklettern und einbrechen ein. Vielleicht war es meine vorherige Begegnung mit Leyla die mich auf diese Idee brachte, aber ich verwarf sie schnell wieder. Das Treiben auf den Straßen war trotz der Dunkelheit noch erstaunlich rege, aus einigen Ecken ertönten noch Musik und laute Gespräche und wenn ich mir eins nicht leisten konnte, dann war es, dabei erwischt zu werden, auffällig illegal ein fremdes Haus zu betreten. Es drangen auch keine Gespräche aus dem Haus hervor. Es war praktisch nutzlos.
Mein nächstes Ziel war das Haus des königlichen Arztes. Wenn der König tatsächlich mehr als leicht krank war, waren meine Chancen, ihn dort anzutreffen gering, aber mit ein wenig Glück wartete sein Ehemann dort geduldig auf ihn und das war mir sogar noch lieber. Ehepartner wussten oft viel, ohne dabei zu wissen, was sie verraten durften.
Leider trug auch diese Nachforschung keine Früchte. Guilito lies mich zwar herein und das Gespräch verlief vergleichsweise angenehm, aber als ich nachfragte, was mit dem König los sei, wurde er äußerst angespannt. Er beteuerte freundlich, dass er keine Antwort darauf habe. Ich hatte den Eindruck, er wisse sehr wohl was Sache war, aber scheinbar hatte man ihn ausdrücklich darauf hingewiesen nichts darüber preiszugeben.
Es dauerte nicht lange bis ich dieses Haus wieder verließ, nur mit dem Wissen bereichert, dass derzeit eine Grippewelle umging. Diese war nach meinem Verständnis jedoch ungefährlich und, wenn man das Geld für die nötigen Medikamente hatte, äußerst schnell zu behandeln. Es klang nach nichts, dass den König von seiner Rede abhalten würde.

Ich lief zurück nach Hause, wo ich zwei Gläser Wasser trank und mir erneut ein großes Stück Brot einpackte. Es würde zweifellos eine lange Nacht für mich werden und ich wollte vorbereitet sein. Ich hatte meine beiden Hauptziele erfolglos abgearbeitet und wollte mich nun unter die Menschen mischen, vielleicht das ein oder andere Rebellionsmitglied ausfindig machen. Irgendjemand musste doch etwas wissen! Ich griff nach ein paar Obstresten für June, vielleicht hatte ich ja Glück und jemand wollte mir einen Hinweis anbieten.
Junes Nest befand in dem Baum vor dem Fenster des Zimmers, das ich mir mit meinen Geschwistern teilte. Es war noch niemand zuhause, was mich ein wenig verwunderte, aber so stellte zumindest niemand fragen. Leena hatte sicherlich mit Riko die Zeit vergessen und Kyle und unser Vater waren sicherlich irgendwo auf bekannte gestoßen oder auf gutes Essen. An einem besonderen Tag wie heute, machte ich mir keine Sorgen.
Als ich das Fenster öffnete, schien das Geräusch June zu wecken, doch sie starrte mich nur erwartungsvoll an. Ich lächelnd verdrehte die Augen. Was für eine verwöhnte kleine Elster. Ich hielt ihr die Hand hin uns sie pickte erfreut an dem Obst, während ich ihre Funde begutachtete. Sorgfältig sammelte ich mit meiner freien Hand jegliches Papier auf. June war eine etwas ungewöhnliche Elster. Neben der durchaus gewöhnlichen Vorliebe für alles Glänzende sammelte sich jegliches Papier, das sie in die Krallen bekam. Es war ein offenes Geheimnis, dass besonders glänzende Papiersorten eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit hatten bei mir zu landen. Das ging sogar soweit, dass einige Menschen mir auf diese Art und Weise anonyme Nachrichten zukommen ließen.
Ich ging die Zettel durch. Der Stapel war erstaunlich groß, aber es war schließlich auch viel los in der Stadt. Eine Einkaufsliste, die wohl jemand vermissen würde aber für mich gänzlich nutzlos war, eine Aufforderung zu einem geheimen Treffen mit einen Affäre von der ich bereits wusste (es gab einfach nichts interessantes, in das die beiden sonst verwickelt waren, das war wohl Erpressungsmaterial, auf dem ich ewig sitzen bleiben würde), ein Informationsblatt über die Eisenbahn, ein weiterer für den aviatischen Singleprop-Propellertm (was auch immer das sein sollte, die Skizze auf dem Blatt war nicht sonderlich hilfreich) und dann endlich eine deutliche Notiz auf teuer glänzendem Seidenpapier:

Ich habe eine Frage und eine Antwort. Mitternacht hinter Goldbarts Handelskontor.

Ich war ominöse Nachrichten gewohnt, aber das war ja wirklich erstaunlich vage. Nicht dass mich das störte. Viele meiner Quellen wollten lieber keine Spuren hinterlassen und wenn überhaupt deutete das nur auf sensible Informationen hin. Es gab keine Frage, dass ich da sein würde.
Wenn ich nicht alles täuschte, war es bereits fast Mitternacht. Ich schwang mich aus dem Fenster heraus und schloss es von außen fast vollständig, bevor ich den Baum herunterkletterte und zielstrebig durch die Straßen eilte. Natürlich war mir Goldbarts Handelskontor ein Begriff. Ich kannte viele der Schmiede, mit denen mein Vater konkurrierte, eventuell hatte ich auch schon versucht, die ein oder anderen Betriebsgeheimnisse herauszufinden, wenn auch mit wenig Erfolg. Hinter dem Handelskontor befand sich jedenfalls eine kleine Gasse und obwohl sie in einem wohlhabenderen Teil der Stadt lag, war ich mir ziemlich sicher, dass sie unauffällig genug, um dort sensible Informationen auszutauschen.
Als ich die Gasse erreichte, wirkte sie leer. Also verlangsamte ich meinen Schritt etwas und zog meinen Schal fester, um der Kälte der Nacht entgegenzuwirken.
Ein Mann kam auf mich zu, dessen Gesicht ich nicht zuordnen konnte. Er war bewaffnet, aber ich machte mir keine Sorgen. Er als von der anderen Seite ein weiterer Unbekannter auf mich zukam, wurde ich ein wenig nervös. Wir wollen nur reden, erinnerte ich mich bewusst. Dennoch verlagerte ich mein Gewicht ein wenig um, um das Gewicht meines Dolches zu spüren. Ich hatte gegen diese Beiden keine Chance, aber ein Überraschungsmoment war immer hilfreich, wenn man davonkommen wollte.
„Mitkommen“, grummelte der Erste und packte mich grob an der Schulter. Thalisse, das ging aber wirklich freundlicher. Ich hätte jetzt noch fliehen können, aber wie hätte das denn ausgesehen? Außerdem war meine Neugierde geweckt. Was auch immer sie mit mir besprechen wollten, das sollte es besser wert sein.
Die Griffe an meinen Schultern waren fest und unsanft. Mein Kopf suchte bereits nach möglichen Ablenkungen. Wenn die beiden unhöflichen Männer auch nur einen Augenblick unvorsichtig waren, wäre ich schnell genug um davonzulaufen. Ich unterdrückte den Fluchtreflex weiter. Meine stummen, sturen und unglaublich langweiligen Begleiter waren mir genauso unbekannt wie unser Ziel, aber ich wollte es herausfinden.
Wir bewegten uns auf direktem Weg Richtung Schloss, zu einem der Seiteneingänge, viele Gänge entlang, eine Treppe herunter und durch noch mehr Gänge. Ich erkannte einige der langen Flure wieder, sicher dass ich über Umwege und im Kreis geführt wurde, nur um mich zu verwirren.
Als wir vor einer Tür stehen blieben und einer der Männer klopfte, wusste ich, dass wir unser Ziel erreicht hatten. Ich verfolgte im Kopf den Weg, den wir gegangen waren, aber bei so vielen schmalen Gängen, war es vermutlich leicht mich zu stoppen, wenn man das wollte.

Die Tür öffnete sich und wir traten in einen kleinen, aber äußerst vollen Raum, der von großen Fackeln erleuchtet wurde. Sofort hat die Person hinter dem Tisch im Zentrum des Raumes meine volle Aufmerksamkeit. Ein dunkler, aber hochwertiger Umhang und zerzauste Haare wirken untypisch, aber dennoch war ich mir sicher, wer diese Person war und dann war der Rest ja auch nicht mehr besonders wichtig.
„Und seit wann, Eure Königliche Hoheit, müsst Ihr mich hereinlegen und entführen, um mit mir zu sprechen?“, fauchte ich genervt, aber nicht feindselig, als ich die ihm gegenüberliegende Seite erreichte.
„Mein Vater ist tot, Cassidy.“ Meine Augen weiteten sich überrascht, nicht auf Grunde der Information, die ich bereits in Betracht gezogen hatte, sondern weil er sie mir so offen mitteilte. Ich hatte das in Betracht gezogen, aber nur als eine der vielen Möglichkeiten angesehen.
„Du weißt etwas“, beschuldigte er, entschlossen und grimmig, doch selbst im Licht der Fackeln konnte ich erkennen, dass seine Augen noch gerötet waren. Für einen Moment war ich zutiefst beeindruckt, dass er hier stand und Nachforschungen anstellte und irgendetwas zu planen schien. Dann kam die Aussage bei mir an und ich knabberte unsicher an meiner Unterlippe. Gegenüber Leyla zuzugeben, dass ich nicht wusste was vor sich ging, wenn es von mir erwartet wurde, war etwas ganz anderes. Jetzt fühlte ich mich nicht gekränkt, sondern nutzlos als ich langsam den Kopf schüttelte. Die Enttäuschung in seinem Gesicht ließ die Schuldgefühle in mir weiter ansteigen.
„Wir müssen herausfinden, wie das passieren konnte“, murmelte er dem Mann neben sich zu, den ich zu meinem Leidwesen als Sir Leopold erkannte.
„Ich helfe“, platzte es aus mir heraus, bevor ich es zurückhalten konnte. Es überraschte mich selbst, dass ich sprach bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte. Ich hatte noch nicht darüber nachdenken können, dass ich eine Rebellion unterstützte, die sich nach dem Tod seines Vaters besonders gegen den Mann vor mir richtete oder dass, ich vielleicht einen unfreiwilligen Anteil an dem Tod seines geliebten Vaters hatte. Die Szenarien, die meinen Kopf füllten, sollten mich panisch werden lassen, doch wie ich Prinz Lucien vor mir ansah, erfüllte es mich mit Überzeugung.
Der Prinz nickte mir zu, was mich zu einem breiten Lächeln brachte, bevor er mich kurz gebunden zur Seite wank und andere Menschen an den Tisch traten. Ich wich zurück und musterte nun zum ersten Mal die anderen Anwesenden. Viele trugen tiefsitzende Kapuzen oder versuchten anders ihre Identität zu verbergen. Ich erkannte einige Soldaten wieder, aber es waren die fremden Menschen, die ich versuchte in ein Gespräch zu verwickeln.
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